Schwarz-Rot gefällt sich in Harmonie

BERLIN. Das schwarz-rote Bundeskabinett ist nun schon fast drei Wochen im Amt. Aber die eigentliche Regierung kam gestern zum ersten Mal zusammen. Des Rätsels Lösung heißt Koalitionsausschuss.

Jenen Zirkel mit den Vorleuten der Regierung und der sie tragenden Parteien gab es zwar auch unter rot-grüner Herrschaft. Doch in einer großen Koalition, zumal bei annähend gleich starken Partnern, gewinnt das Gremium eine politische Schlüsselbedeutung. Nach der Koalitionsvereinbarung soll sich die Runde des Koalitionsausschusses einmal monatlich über "Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung" verständigen. Und die gibt es schon jetzt zuhauf. So hatte etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Eindruck erweckt, als dränge sie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Aufklärung der Entführung des Deutsch-Libanesen, Khaled El-Masri, durch den US-Geheimdienst, obwohl Steinmeier eine Unterrichtung des parlamentarischen Kontrollgremiums ausdrücklich angeboten hatte. Auch bei der Gesundheitspolitik knirscht es im Koalitionsgetriebe, nachdem sich die Union von einem Gesetzentwurf der zuständigen Ministerin Ulla Schmidt (SPD) überfahren gefühlt hat. Und dann waren da noch medienöffentlich geäußerte Spitzfindigkeiten von CDU-Generalsekretär Roland Pofalla, wonach der "riesige Schuldenberg" des Bundes ausschließlich auf das Konto von Rot-Grün gehe und die SPD sich in der Frage des Kombi-Lohns "bewegen" solle.Im Gleichschritt vor die Presse

Genug Stoff also, um im Koalitionsausschuss Dampf abzulassen. Dafür war die Runde schon bei der ersten großen Koalition zwischen 1966 und 1969 aus der Taufe gehoben worden. Aber die Beobachter sollten sich täuschen. Im Anschluss an das zweistündige Treffen im Kanzleramt marschierten Pofalla sowie die Generalsekretäre Markus Söder (CSU) und Hubertus Heil (SPD) im Gleichschritt vor die Presse, als wollten sie den Willen zur Harmonie auch optisch dokumentieren. Dann klopfte sich das Trio gegenseitig für die "außerordentlich gute" Gesprächsatmosphäre (Söder) auf die Schulter. Bei Gemüsesuppe mit Fleischeinlage wurden die brisanten Dinge aber offenbar ausgeklammert. Steinmeier und der Fall el-Masri? Das sei nichts für den Koalitionsausschuss, erklärte Heil. Dem Vernehmen nach hat sich die Runde jedoch darauf verständigt, alle kniffligen Fragen dazu im parlamentarischen Kontrollgremium zu behandeln. Der ist für die Überwachung der Geheimdienste zuständig und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Und der Gesundheitsstreit? "Es hat keine Irritationen gegeben", winkte Pofalla ab. Rot-Grün und die Staatsverschuldung? Darüber sei mit "keiner Silbe" gesprochen worden.Auftaktrunde mit wenig Ertrag

Auch die Kombilöhne waren nach seiner Darstellung kein Thema. Gegenüber einer Zeitung habe er nur noch einmal die Position der Union "verdeutlicht", meinte Pofalla. Die vermag der SPD-Arbeitsmarktexperte, Klaus Brandner, trotzdem nicht recht zu erkennen. "So lange es keinen Vorschlag von der Union gibt, können wir uns auch nicht bewegen", sagte er unserer Zeitung. Fest steht nur, dass die C-Parteien den Niedriglohnsektor mit staatlichen Lohnzuschüssen stärken wollen. Bei einer Ausweitung der schon jetzt vorhandenen Kombilohn-Möglichkeiten müsse es aber auch einen "armutsfesten Mindestlohn" geben, so Brandner. Sonst drohten "Subventionsfallen" und eine Lohnspirale nach unten. Genau diesen Mindestlohn lehnt die Union aber bislang kategorisch ab. Und was hat die Auftaktrunde im Koalitionsausschuss nun tatsächlich gebracht? Überraschend war sicher die Einigung, wonach sich der Bund im Rahmen der Hartz-IV-Reform auch 2006 in unveränderter Höhe an den Unterkunftskosten der Kommunen für Langzeitarbeitslose beteiligt. Die rot-grüne Bundesregierung wollte ihren Anteil noch auf null fahren, weil die Kommunen durch das Gesetz angeblich schon genug entlastet worden seien. Nun setzten sich die "schwarzen" Landesregierungen durch, die natürlich auf der Seite ihrer Städte und Gemeinden sind, wenn es um Geld des Bundes geht. Für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bedeutet das Entgegenkommen der Sozialdemokraten freilich Mehrkosten von 1,3 Milliarden Euro. SPD-General Heil meinte dann auch, dass die Gemüsesuppe "deftig" geschmeckt habe. Vielleicht war das ein Vorgeschmack auf turbulente Koalitionsrunden im nächsten Jahr.

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