Schwarz-Rot und die grüne Gentechnik

TRIER. Segen oder Fluch? Wie so oft, wenn es um neue Technologien geht, dreht sich auch die Diskussion über Gentechnik in der Lebensmittel-Erzeugung um diese Frage. Erkenntnisse sind bislang rar. Umso heftiger prallen Ideologien aufeinander.

Wer Peter Bleser und Ulrike Höfken über den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft sprechen hört, kann kaum glauben, dass es bei beiden um dasselbe Thema geht. Was der Agrarexperte der CDU erzählt, klingt verheißungsvoll, nach Verbesserung. Spricht seine Grünen-Kollegin, fallen dagegen immer wieder Begriffe wie "Risiko" und "unkontrollierbar". In Rheinland-Pfalz nur ein kleines Versuchsfeld

Zu den Fakten: Viele Lebensmittel werden in Deutschland unter Einsatz von Gentechnik produziert. Bleser geht von "weit über 90 Prozent" aus, Lebensmittelkontrolleure fanden Spuren in jeder fünften Probe. Milchkühe erhalten quer durch die Republik Kraftfutter, das Experten zufolge aus Gen-Mais und -Soja besteht. Laut Verbraucherzentrale können mehr als 20 000 Lebensmittel verändertes Soja enthalten - darunter Margarinen, Salatdressings und Brot. Auch Mais und Rapsöl kommen oft in genveränderter Form in Lebensmitteln vor, und viele Zusatzstoffe, Aromen und Vitamine werden mit Hilfe von Gentechnik hergestellt. Direkt manipulierte Produkte wie etwa die "Anti-Matsch-Tomate" landen dagegen so gut wie gar nicht auf deutschen Tellern. Die einzige genveränderte Pflanze, die derzeit hier zu Lande kommerziell angebaut wird, ist eine gegen Schädlinge resistente Maissorte. Sie wird ausschließlich als Tierfutter eingesetzt. Bundesweit ist der Anbau von Gen-Pflanzen derzeit auf einer Fläche von 1900 Hektar vorgesehen, ein Großteil davon im Osten. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher nur ein kleines Versuchsfeld bei Hassloch in der Pfalz. Das will die Bundesregierung ändern. Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD kündigt eine Förderung der Gentechnik in der Landwirtschaft, der so genannten grünen Gentechnik, an. Im Juni will Agrarminister Horst Seehofer (CSU) Eckpunkte für ein neues Gesetz vorlegen. Im Wesentlichen geht es dabei um die Haftungsfrage. Bisher gilt: Baut ein Bauer veränderte Pflanzen an, die sich mit konventionellen Artgenossen auf Nachbarfeldern kreuzen, muss der Gen-Bauer Schadensersatz zahlen. Nun sollen Regeln für eine "gute fachliche Praxis" definiert werden. Hält sich der Gen-Bauer daran, werden eventuelle Schäden durch Auskreuzungen aus einem Haftungsfonds beglichen. Damit sollen das Risiko für Gen-Bauern minimiert und die Verbreitung genveränderter Pflanzen gefördert werden. Beim Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau steht man der grünen Gentechnik "offen" gegenüber, wie Präsident Leo Blum sagt. Könne beispielsweise der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden, sei das ein Erfolg. Bio-Bauern wenden sich strikt gegen den Anbau von Gen-Pflanzen. Ihre Befürchtung: Veränderte Organismen könnten sich so weit ausbreiten, dass ökologische Landwirtschaft unmöglich werde. Bauernpräsident kontra Grünen-Abgeordnete

Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Bleser, der auf seinem Hof seit zehn Jahren genverändertes Soja verfüttert, sind solche Szenarien "grober Unfug" und "bewusste Verängstigung". Seit Jahrhunderten gebe es Pflanzenzucht, keine der heutigen Kulturpflanzen komme in der Natur vor. Die Gentechnik biete die Möglichkeit, in der Entwicklung schneller voranzukommen. Solche Argumente hält Blesers Bundestagskollegin Höfken für wenig überzeugend. "Man lässt eine Technologie auf die Leute los, deren Folgen man nicht abschätzen kann", kritisiert die Grünen-Politikerin, die damit die Verbraucherzentralen hinter sich weiß. Da eine große Mehrheit der Bundesbürger genveränderte Lebensmittel ablehne, sei ein Einsatz der grünen Gentechnik "undemokratisch". Und für Freiland-Versuche wie die Aussaat von Pflanzen mit Krankheitserreger-Genen findet Höfken noch markigere Worte: "Schlichtweg irre."

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