Schwere Tage für Joschka Fischer

BERLIN. Für Joschka Fischer wird es Ernst. Am kommenden Montag muss der Außenminister vor laufenden Kameras im Visa-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen.

Schon gestern wartete auf den Chefdiplomaten eine größere Bewährungsprobe. Im Außenamt war eine turnusmäßige Personalversammlung anberaumt. Normalerweise nimmt die Öffentlichkeit von solchen internen Ereignissen keinerlei Notiz. Seit Fischer aber mit zahlreichen Mitarbeitern seines Hauses über Kreuz liegt, hat sich das spürbar geändert. Erst am vergangenen Donnerstag entließ der Minister den deutschen Botschafter in der Schweiz, Frank Elbe, nachdem der 64-jährige seinem Dienstherren "miserables Krisenmanagement" und eine "Spaltung des Auswärtigen Amtes" vorgeworfen hatte. Stein des Anstoßes war die umstrittene Gedenkpraxis für verstorbene Diplomaten. Um dieses Thema rankte sich auch die stundenlange Diskussion in der Personalversammlung. Ende 2003 hatte Fischer angeordnet, dass Mitarbeitern, die in der Nazi-Zeit der NSDAP angehörten, keinen ehrenden Nachruf in der internen Hauszeitschrift mehr bekommen sollten. Als sich geballte undiplomatische Kritik regte - der Konflikt unter den Mitarbeitern wird bis heute über die Medien ausgetragen - ging Fischer in die Offensive und kündigte die Einsetzung einer unabhängigen Historikerkommission an. Nach Angaben von Teilnehmern fand die Idee der Historikerkommission aber längst nicht ungeteilten Zuspruch. Nach Angaben von Ministeriumssprecher Walter Lindner hat Fischer die Entscheidung aber "im Grunde schon getroffen". Auch die nächsten Tage dürften für den Außenminister kein Spaziergang werden. Der Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre wird in dieser Woche gleich zweimal tagen. Am Mittwoch und Donnerstag sollen mehre amtierende und ehemalige Botschafter vernommen werden. Zu den Zeugen gehören der einstige Chefdiplomat der deutschen Vertretung in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, sowie der Botschafter in Kiew, Dietmar Gerhard Stüdemann. Von Studnitz hatte unverblümt erklärt, bei der Visa-Politik Fischers habe es sich darum gehandelt, "grüne Ideologie in praktische Politik umzusetzen". Stüdemann hatte dem Außenamt im März 2002 über unhaltbare Zustände an seiner Botschaft wegen der laschen Visa-Bestimmungen berichtet.

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