Fragen & Antworten Asylpolitik Seehofer hält sich weitgehend an den Koalitionsvertrag

Berlin · Der Streit um den Familiennachzug könnte aber bei den Details neu aufflammen.

 Umstrittener Familiennachzug: Eine syrische Familie sitzt vor einem Asylwohnheim in Brandenburg.

Umstrittener Familiennachzug: Eine syrische Familie sitzt vor einem Asylwohnheim in Brandenburg.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Einer der ersten Gesetzentwürfe aus dem Hause von Innenminister Horst Seehofer (CSU) erregt sogleich die Gemüter: Der Familiennachzug. Einen „Bruch mit der UN-Kinderrechtskonvention“ erkannte gar die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Bei genauer Betrachtung ist manche Kritik aber eher ein Sturm im Wasserglas – und ein Koalitionszerwürfnis nicht zu erwarten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema.

Worum geht es überhaupt?

Von den rund 1,5 Millionen Flüchtlingen der letzten drei Jahre erhielten rund 200 000 lediglich einen „subsidiären Schutz“. Das sind Menschen, bei denen man davon ausgeht, dass sie bald zurückkehren können. Für diese Gruppe wurde von der alten großen Koalition das Recht auf Familiennachzug komplett ausgesetzt. Nach langem Ringen einigte sich die neue große Koalition aber, ab August wieder 1000 Familiennachzüge pro Monat für diese Gruppe zuzulassen; die SPD bestand darauf. Seehofers Gesetz soll nun dafür die genauen Auswahlkriterien formulieren. Für alle anderen Flüchtlinge bleibt es bei der bisherigen Rechtslage: Der Nachzug der Kernfamilie, also von Ehepartnern, Kindern oder von Eltern zu ihren Kinder ist in den ersten drei Monaten nach Asylanerkennung ohne große Voraussetzungen möglich. Geschwister oder andere Angehörige können in allen Gruppen nur in seltensten Härtefällen nachkommen.

Geht Seehofer über die Koalitionsvereinbarung hinaus?

 Er beteuert in Sachen Familiennachzug, dass er sich streng an die Koalitionsvereinbarung hält: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, rechts), hier mit Gebirgsschützen in Bayern.

Er beteuert in Sachen Familiennachzug, dass er sich streng an die Koalitionsvereinbarung hält: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, rechts), hier mit Gebirgsschützen in Bayern.

Foto: dpa/Tobias Hase

Sein Ministerium selbst spricht von einer genauen Umsetzung des Koalitionsvertrages mit der SPD, der an zwei Punkten Verschärfungen vorsieht: Gefährder sollen nicht nachkommen dürfen, ebenso nicht die Angehörigen von Straftätern. Nach Lektüre des Entwurfs, der unserer Zeitung vorliegt, hat sich der CSU-Minister daran gehalten, allerdings sind Debatten über viele Detailbestimmungen zu erwarten. Etwa über die Frage, ab wann jemand als Straftäter eingestuft wird. Auch dass die Ehen im Herkunftsland geschlossen sein müssen, war schon Teil der Koalitionsvereinbarung. Eine Präzisierung nimmt das Papier allerdings in einer Nebenreglung vor: Der Strafrahmen für das Schleusen von Kindern und Jugendlichen soll erhöht werden. 2015 war die Zahl minderjähriger Flüchtlinge drastisch auf über 60 000 gestiegen. Vielfach steckte dahinter die Absicht, über die Familiennachzugsregelung die Eltern dieser Kinder nach Deutschland gelangen zu lassen. Gegen diese Praxis will die Regierung stärker vorgehen.

Ist der Nachzug beim Bezug von Hartz IV untersagt?

Medienberichte, dass der Entwurf den Familiennachzug beim Bezug von Hartz IV ausschließe, hatte besondere Empörung und Irritationen bei der SPD ausgelöst. Doch waren sie im Kern falsch. Flüchtlinge sind kurz nach ihrer Anerkennung, wenn sie den Familiennachzug beantragen können, fast immer Hartz IV-Empfänger, es geht gar nicht anders. Ein eigenes Einkommen als Bedingung würde sowohl gegen den Familienschutz im Grundgesetz wie gegen europäisches Recht verstoßen. Deswegen enthält der Gesetzentwurf eine solche Einschränkung auch nicht. Allerdings sollen, heißt es in der Begründung zum Gesetz, Deutschkenntnisse, das Bemühen um Arbeit sowie andere Integrationsanstrengungen bei der Auswahl positiv zu Buche schlagen.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der „Ressortabstimmung“. Wenn die Ministerien sich über alle Details geeinigt haben, geht er ins Kabinett. Danach wird das Gesetz im Bundestag öffentlich beraten, auch Experten werden noch angehört. Vor der Sommerpause soll und muss das Vorhaben verabschiedet sein, denn die Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Geschützte endet am 31. Juli. Denn ohne Neuregelung könnten alle sofort einen Antrag auf Nachzug stellen.

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