Selbstbewusste Grüne im Wandel begriffen

Mainz · Die rheinland-pfälzischen Grünen betrachten sich als Motor in der neuen Landesregierung. Einige hadern jedoch mit dem geplanten Ja zum Atomausstieg und mit Sünden wie dem Hochmoselübergang, die nicht verhindert wurden.

Mainz. An einem regnerischen Samstag in Mainz herrscht für die Grünen eitel Sonnenschein. Fünf Jahre waren sie in der außerparlamentarischen Opposition verschwunden, "jetzt ist es geschafft, wir sind im Hafen", verkündet der Fraktionschef im Landtag, Daniel Köbler, stolz. Auf welchem Kurs das Schiff segeln soll, darum ringen die 193 Delegierten. "Jetzt kommt die Bewährungsprobe", sagt Köbler.Beflügelt vom Rekordergebnis bei der Landtagswahl strahlt die Ökopartei Selbstbewusstsein aus. Etwa gegenüber dem Koalitionspartner SPD. Köbler findet durchaus kritische Töne, als er Bildungsministerin Doris Ahnen vorhält, "keinen guten Zeitpunkt" für ihre Initiative in Sachen Vertretungslehrer gewählt zu haben. Grundsätzlich sei es aber richtig, deren Verträge auf ihre Effektivität zu prüfen und prekäre Arbeitsverhältnisse in feste Planstellen zu überführen.Das Sparpaket von Rot-Grün verteidigt Köbler. "Wir brauchen nicht mehr so viel Verwaltung wie bisher." Gespart werden müsse überall, auch bei der Justiz. Kritik äußert der Grünen-Fraktionschef gegenüber SPD-Justizminister Jochen Hartloff, wenn er sagt: "Wir müssen die Kommunikation überdenken. Da können wir noch dazulernen."Deutliches Missfallen bekundet der Grüne mit Blick auf die politische Kultur. Da liege "einiges im Argen". Die CDU sei "vor allem stark im Rumkrakeelen, um die eigene Inhaltsleere zu übertünchen". Und der SPD müsse man "auch immer wieder sagen, dass Antworten auf gleichem Niveau nichts bringen".Die Grünen wollen den sozial-ökologischen Wandel in Rheinland-Pfalz kraftvoll gestalten - doch auch sie selbst müssen einen Wandel vollziehen: raus aus der Opposition, rein in die Regierung. "Behaltet eine gewisse Bodenhaftigkeit", mahnt der Mainzer Finanzdezernent Günther Beck. Daniel Köbler ergänzt, man müsse sich treu bleiben und dürfe sich nicht verbiegen lassen.Wie schwierig das ist, wird vorwiegend in der Debatte um den Atomausstieg und am Rande beim umstrittenen Hochmoselübergang deutlich. Immer wieder fällt das Wort "Murks", wenn es um die Atom-Gesetzentwürfe der Bundesregierung geht. Können ausgerechnet die Grünen außen vor bleiben, wenn das beschlossen wird, was sie seit ihrer Gründung erkämpfen wollen? Ein "Nein, aber" im Bundesrat schlägt Karl-Wilhelm Koch aus der Vulkaneifel vor. Nur wenn der Ausstieg unumkehrbar sei, könne man zustimmen. Der Landesvorstand vertritt eine andere Ansicht. Sie lautet "Ja, aber". In einem leidenschaftlichen Plädoyer zeigt Wirtschaftsministerin Eveline Lemke auf: "Wir verhandeln in Berlin und holen raus, was nur irgendwie geht." Ebenso wie Lemke wirbt Umweltministerin Ulrike Höfken um Vertrauen und Rückendeckung. Sie will die Energiewende "verantwortlich gestalten". Am Ende folgen die Delegierten und verabschieden den Leitantrag.Dass bei allem Selbstbewusstsein in einer Regierung schmerzhafte Zugeständnisse notwendig sind, damit hadern Teile der Partei. Ein Grüner macht sich Sorgen, "dass es für bestimmte Positionen keine Opposition mehr gibt". So bestehe das Problem des Hochmoselübergangs weiter.Fragt man die Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler aus Bernkastel-Kues als Mitgründerin der Bürgerinitiative "Pro Mosel" nach der Brücke, spürt man ihr Unbehagen deutlich. Sie habe viele Gespräche mit den Gegnern geführt und um Verständnis gebeten. Eine Petition laufe, Unterschriften würden gesammelt. "Wenn die BI einen Weg findet, das Ganze zu kippen, bin ich die Erste, die sich freut." Das neue Führungstrio Britta Steck, Uwe Diederichs-Seidel und Thomas Petry (Schatzmeister) übernimmt die schwierige Aufgabe, einerseits Kontinuität zu wahren und andererseits neue Wege zu gehen. Man will das Ohr an der Basis haben und Meinung mehr Raum geben.Meinung

Rasch eigene Akzente setzenViele Grüne beschleicht ein ungutes Gefühl. Der Versuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, in Rekordgeschwindigkeit den Atomausstieg zu vollziehen und die Ökopartei damit ihres wichtigsten Themas zu berauben, ist offenkundig. Die Grünen wehren sich vehement dagegen, sich überflüssig zu machen. Alleine dieses Wort "Öko" treibt ihnen die Zornesröte ins Gesicht. Viel Gelegenheit, sich nach dem Triumph bei der Landtagswahl auszuzeichnen, hatte die Partei bislang nicht. Sie hat zwar eine deutliche Handschrift im Koalitionsvertrag hinterlassen, aber sie muss beweisen, dass sie nicht nur anprangern, sondern auch selbst Politik gestalten kann. Nicht zuletzt der Parteitag macht deutlich, dass einem Teil der Basis der Wandel zu einer Regierungspartei noch schwerfällt. Gefährlich wird es, wenn gegenüber der SPD bereits kritische Töne geäußert werden, aber eigene Akzente fehlen. Zudem droht den Grünen immer noch Ärger, weil ihre Klientel ein Verkehrsprojekt wie den Hochmoselübergang kaum verzeiht und weil sie das schwierige Thema Nürburgring umkurven. f.giarra@volksfreund.de

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