Servus, Stratege!

Mainz · Einer der wichtigsten Männer der vergangenen Jahrzehnte im Landtag nimmt in diesen Tagen Abschied. Hans-Artur Bauckhage, liberales Urgestein, macht Schluss mit Politik. Was jetzt kommt, will er nach dem Urlaub entscheiden.

 Als Wirtschafts- und Verkehrsminister hat Hans-Artur Bauckhage (rechts) Rheinland-Pfalz auf vielen Messen repräsentiert. Hier gibt er 2005 am Stand der Hunsrück/Nahetal Touristik auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin ein Interview. In der Bildmitte die damalige Deutsche Weinkönigin Petra Zimmermann aus Nittel (Kreis Trier-Saarburg). Foto: TV-Archiv/Roland Morgen

Als Wirtschafts- und Verkehrsminister hat Hans-Artur Bauckhage (rechts) Rheinland-Pfalz auf vielen Messen repräsentiert. Hier gibt er 2005 am Stand der Hunsrück/Nahetal Touristik auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin ein Interview. In der Bildmitte die damalige Deutsche Weinkönigin Petra Zimmermann aus Nittel (Kreis Trier-Saarburg). Foto: TV-Archiv/Roland Morgen

Mainz. Auf der Terrasse eines bekannten Cafés in der Mainzer Innenstadt sitzt ein Mann, trinkt eine Tasse Milchkaffee, raucht eine Zigarette und plaudert lebhaft mit einem Gesprächspartner. Keine fünf Minuten vergehen, in denen ihn nicht Passanten freundlich grüßen. "Hallo, Herr Bauckhage!"
Der Senior lächelt, winkt und grüßt zurück. Er kennt viele Menschen. Sie kennen ihn.
Wenn einer 34 Jahre lang in Rheinland-Pfalz Politik gemacht und die wichtigsten Funktionen bekleidet hat, die er in einer kleinen Partei wie der FDP erreichen kann, ist das wohl kein Wunder. Seit dem 27. Mai 1987 gehört Hans-Artur Bauckhage dem Landtag an, eine halbe Ewigkeit. Damals war CDU-Mann Bernhard Vogel noch Ministerpräsident. "Bei der konstituierenden Sitzung saßen die Ehefrauen auf der Tribüne, später sind wir schön speisen gegangen", erinnert sich der 68-Jährige an seinen ersten Tag in Mainz.
Aus dem Bäckermeister mit eigenem Betrieb, der in Daaden im Westerwald geboren ist und dort immer noch wohnt, wurde im Laufe der Zeit ein Politprofi und Stratege, wie er auf Landesebene nur selten zu finden ist.
Dabei hatte Bauckhage das anfangs gar nicht vor. Seine Bäckerei mit bis zu 15 Mitarbeitern behielt er bis 1996. Dann wurde er FDP-Fraktionschef. Ein Jahr später rückte er in den Bundesvorstand auf, wieder zwei Jahre später wurde er stellvertretender Landeschef.
Den Fall Vogels, den Aufstieg von Sozialdemokrat Rudolf Scharping und dessen Nachfolger Kurt Beck, all das und noch viel mehr hat Bauckhage erlebt. Er war mittendrin statt nur dabei. "Vogels Isolation und die Unruhe in der CDU-Fraktion konnte man spüren", erinnert er sich. Der große Stratege Scharping habe das und die damalige Steuerlüge in Bonn gnadenlos ausgenutzt. Auch Bauckhage begründete die nachfolgende, 15 Jahre währende sozial-liberale Ära mit, die er heute rückblickend als "großen Wurf für das Land" bezeichnet.
Im ersten Kabinett Beck übernahm der Liberale 1998 das Superministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau und behielt es bis 2006. Dann eroberte die SPD die absolute Mehrheit und brauchte die FDP nicht mehr. Deren Stern begann zu sinken. Dass es am 27. März 2011 nicht mal mehr für den Einzug in den Landtag reichen würde, ahnte lange keiner.
Hans-Artur Bauckhage hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mit Guido Westerwelle nichts anfangen kann. "Ich habe ihn noch nie gewählt." Es werde dauern, bis die Partei das unsympathische Image abgestreift habe, das sie maßgeblich dem langjährigen Bundesvorsitzenden zu verdanken habe.
Bis Weihnachten werde Westerwelle "hoffentlich erkennen, dass er auch als Außenminister aufgeben muss".
Wie man eine Koalition anders als die aktuelle in Berlin vernünftig hinbekommt, hat der Altmeister auf Landesebene mustergültig vorexerziert. Das Meiste, verrät er augenzwinkernd, habe er als stellvertretender Ministerpräsident von 1999 bis 2006 vor Fraktions- und Kabinettssitzungen mit Regierungschef Kurt Beck "abgekaspert". Bauckhage schätzt Beck. "Er ist sehr fleißig, intelligent und verlässlich." Unmut innerhalb der sozial-liberalen Partnerschaft keimte selten auf. Wenn doch, drang sie nicht nach außen. "Schon die Koalitionsverträge waren seit 1991 so angelegt, dass sich beide Parteien vor den Spiegel stellen konnten."
Hans-Artur Bauckhage verkörpert einen Politikertypus, der ein wenig aus der Mode geraten scheint: an der Sache orientiert, geradlinig, Themen substanziell erarbeitend, strategisch denkend. Seine große Lebenserfahrung und die im eigenen Betrieb erworbene soziale Kompetenz halfen ihm dabei. "Heute", sinniert er, "steht man gerne vor dem Spiegel und übt Rhetorik".
Die Guttenbergs und Koch-Mehrins dieser Welt nennt der stets dem Mittelstand verbundene kinderlose Witwer nicht, aber vermutlich meint er sie, wenn er sagt: "Penne, Plenarsaal, Pension - von dieser Sorte Politiker haben wir in allen Parteien genug."
In den vergangenen fünf Jahren hat Hans-Artur Bauckhage, der zwischenzeitlich mal ein halbes Jahr lang als ehrenamtlicher Vorstandschef versuchte, dem damals siechen Fußball-Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern neues Leben einzuhauchen, nicht mehr an den Schalthebeln der Macht gesessen. Er schaute sich das Geschehen im Plenarsaal als Vize-Landtagspräsident meist von oben an und trat kaum noch ans Rednerpult.
Interne Kritiker nehmen Hans-Artur Bauckhage übel, dass er bei der Wahl im März erneut für den Landtag kandidierte und nicht den Weg für den Politnachwuchs frei machte. Nun verabschiedet sich der "Dinosaurier" endgültig von der Politik, will auch nicht mehr im parlamentarischen Arbeitskreis mitwirken, den die Liberalen in der außerparlamentarischen Opposition planen. Vielleicht wird man ihn noch einmal vermissen.

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