Sicherheitskräfte nehmen tausende Menschen in der Türkei fest - Berichte über Lynchjustiz und Misshandlungen

Istanbul · Die Lage in der Türkei bleibt angespannt. Die Regierung hat eine „Säuberungsaktion“ in Militär, Justiz und Sicherheitsbehörden gestartet und Präsident Erdogan ruft seine Anhänger zu Demonstrationen auf die Straßen. In den sozialen Netzwerken häufen sich Meldungen zu misshandelten Soldaten und Oppositionellen. In Istanbul soll ein Mob Jagd auf Ausländer gemacht haben.

 Das Foto soll festgenommene Soldaten in der Binicilik Garnison zeigen. Foto: Screenshot CNN.

Das Foto soll festgenommene Soldaten in der Binicilik Garnison zeigen. Foto: Screenshot CNN.

Foto: Screenshot CNN.com

Nach dem Putschversuch in der Türkei sind Angaben der Regierung zufolge mehr als 13 000 Staatsbedienstete suspendiert worden. Darunter seien 2745 Justizbeamte sowie fünf Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwaltschaft (HSYK), sagte Ministerpräsident Binali Yildirim am Montag in Ankara. Nicht in der Zahl der Suspendierungen enthalten sind die 6038 Soldaten, die nach Angaben von Yildirim bislang festgenommen wurden. Insgesamt kam es nach seinen Angaben zu 7543 Festnahmen seit dem Putschversuch vom Freitagabend.

In den sozialen Netzwerken werden immer mehr Meldungen veröffentlicht, die von misshandelten oder sogar gelynchten Soldaten berichten. Verifizieren kann man diese Posts auf Twitter oder Facebook jedoch nicht. Auf einem Video vom Samstag, das offenbar auf einer der Bosporus-Brücken in Istanbul aufgenommen wurde, ist ein Soldat zu sehen, der blutüberströmt auf dem Boden liegt. Derjenige, der das Video aufnimmt, sagt auf Türkisch: "Vier haben wir umgebracht, jetzt sind wir beim fünften. Hund!" Schüsse sind zu hören. Andere rufen "Gott ist groß", "Ungläubiger!" und "Krepier!". Mehrere treten auf den leblos wirkenden Körper ein. Das Video wurde via Twitter verbreitet.

Die dem Militär nahestehende Zeitung "Sözcü" berichtete, ein aufgebrachter Mob habe am Wochenende einem Soldaten in Istanbul die Kehle durchgeschnitten. Regierungskreise bestätigten den Bericht zunächst nicht.

Dramatisch sind auch die Bilder, die festgenommene Soldaten in der Binicilik Garnison zeigen sollen. Darauf sind halbnackte Menschen zu sehen, die auf dem Boden kauern beziehungsweise erschöpft auf der Erde schlafen.

Die aufgeheizte Stimmung soll auch ein Twitter-Video zeigen, auf dem ein Mob in Istanbul auf eine Gruppe Ausländer losgeht. Laut türkischen Medienberichten sollen in vielen Provinzstädten Schhlägertrupps auf Menschen Jagd machen, die sie als Putsch-Sympathisanten verdächtigen.

Viele Politiker in der Europäischen Union zeigten sich von den Racheaufrufen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zutiefst beunruhigt. Die Bundesregierung machte am Montag zudem deutlich, dass die von Erdogan geforderte Wiedereinführung der Todesstrafe für die ohnehin schwierigen Verhandlungen über einen EU-Beitritt das Ende bedeuten würde.

Berlin warnt Türkei vor Wiedereinführung der Todesstrafe

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