"Sie haben sich um ihr Kind bemüht"

Bitburg/Trier · Sie waren jung, überfordert - und wussten offenbar nicht, wie sie sich helfen lassen konnten: Die Eltern des neun Wochen alten Säuglings, der gestern an den Folgen akuter Unterernährung und Austrocknung starb, lebten vollkommen isoliert.

 Im Mutterhaus kämpften die behandelnden Ärzte seit Mittwoch um das Leben des neun Wochen alten Jungens – vergeblich: Gestern Nachmittag starb der Säugling. TV-Foto: Christiane Wolff

Im Mutterhaus kämpften die behandelnden Ärzte seit Mittwoch um das Leben des neun Wochen alten Jungens – vergeblich: Gestern Nachmittag starb der Säugling. TV-Foto: Christiane Wolff

Zwei junge Eltern, die Mutter 19 Jahre alt, der Vater 26. Erst im Februar waren sie in den Eifelort Fließem gezogen, lebten dort zurückgezogen in einem kleinen Häuschen. Kaum einer der Nachbarn habe die junge Frau mit ihrem Säugling mal auf der Straße gesehen, sagt der Ortsbürgermeister der 760-Einwohner-Gemeinde, Klaus Schnarrbach. Er zeigt sich schockiert: "Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass so etwas in unserem schönen, idyllischen Fließem passieren kann."

Niemand bekam offenbar im Vorfeld mit, was sich in den vergangenen Tagen oder Wochen in den vier Wänden der jungen Familie abspielte. Dass der neun Wochen alte Junge offenbar vor den Augen seiner Eltern immer weiter an Gewicht verlor, nichts essen, nichts trinken wollte. Auch das Jugendamt des Eifelkreises Bitburg-Prüm, das seit Mittwoch Teile des Sorgerechts für den Säugling innehatte, wusste im Vorfeld nichts von den Problemen der jungen Familie. Offenbar versuchte das arbeitslose Paar noch, Kontakt zu einer Hebamme und einem Kinderarzt aufzunehmen - allerdings bekamen diese das Kind dabei nicht zu Gesicht.

Dass die Mutter versucht hat, mit einer Milchpumpe herauszufinden, wie viel der Sohn, der ständig weiter abnahm, denn tatsächlich trank, bestätigte sich bei der Hausdurchsuchung, die die Polizei noch am Mittwochabend in Fließem vornahm. Auch Babyergänzungsnahrung wurde dabei gefunden. Ob der Junge diese aber in der letzten Zeit noch bekommen hat, ist fraglich. "Die Eltern haben in der Vernehmung Angaben über Nahrungsmengen gemacht, die sie dem Baby gegeben haben. Diese können nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung jedoch nicht zutreffen", sagt Oberstaatsanwalt Ingo Hromada. Vielmehr sei es wohl eher so, dass das junge Paar den Vorfall beschönigen wollte.

Als die 19-Jährige das todkranke Kind am Mittwoch ins Krankenhaus brachte, war es längst zu spät. Immer wieder brach der Kreislauf des Säuglings im Mutterhaus Trier, in das er noch am Mittwoch verlegt wurde, zusammen.

Zunächst ermittelte die Trie rer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf versuchte Tötung durch Unterlassen und böswillige Vernachlässigung. Nach den Vernehmungen der Eltern jedoch stellte sich die Lage anders dar: Von Überforderung spricht der Oberstaatsanwalt, es handele sich nicht um eine "brutale Tat von Rabeneltern". Angesichts des jugendlichen Alters des Paares und der geringen intellektuellen Fähigkeiten hätten sich die beiden im Rahmen ihrer Möglichkeiten um das Kind bemüht, erklärt Hromada. Gereicht hat das nicht. Als die Eltern gestern gegen 15 Uhr aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen wurden, weil gegen sie zu diesem Zeitpunkt lediglich wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung ermittelt wurde, rang ihr Sohn weiter mit dem Tod. Und verlor diesen Kampf: Am späten Donnerstagnachmittag starb der Junge, seine Organe, die aufgrund der Austrocknung stark geschädigt waren, versagten. Ob die 19-Jährige und der 26-Jährige doch noch - möglicherweise wegen des Vorwurfs der Körperverletzung mit Todesfolge - in Untersuchungshaft kommen, stand bis Redaktionsschluss nicht fest.ExtraDas inzwischen acht Monate alte Baby des amerikanischen Paars von der Air-Base Spangdahlem, das Mitte September mit schweren Kopfverletzungen in das Wittlicher Krankenhaus gebracht wurde und seitdem in einer Spezialklinik bei Bonn im Koma lag, befindet sich nach Auskunft der Kreisverwaltung derzeit im Trierer Mutterhaus. Das Jugendamt der Kreisverwaltung hat das Sorgerecht für den Jungen. "Nach Auffassung aller Beteiligten ist es das Beste, wenn das Kind in die USA gebracht wird", sagt Stephan Schmitz-Wenzel. Der Transport in ein Krankenhaus nach Texas werde derzeit vorbereitet. (neb)

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