"Sie hat mir schon ein wenig leidgetan"

Mit einem Geständnis des Angeklagten hat vor dem Trierer Landgericht der Vergewaltigungsprozess gegen einen 30-Jährigen aus dem Raum Wittlich begonnen. Der einschlägig vorbestrafte Mann räumte ein, wenige Wochen nach seiner Haftentlassung in Wittlich erneut eine Frau missbraucht zu haben. Heute in einer Woche fällt das Urteil.

Trier. Es muss für das Opfer einer Vergewaltigung mit das Schlimmste sein, seinem einstigen Peiniger noch einmal zu begegnen. Für eine 41-jährige Frau aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich war am gestrigen Montag dieser Tag gekommen. Da sitzt sie im Saal 66 des Trierer Landgerichts jenem Mann schräg gegenüber, der sie fünf Monate zuvor brutal missbraucht haben soll.

Die in Wittlich arbeitende Frau hatte sich damals in der Mittagspause zum Sonnenbaden auf eine Wiese nahe der Lieser gelegt, als der 30-Jährige vorbeikam, sie kurz grüßte, zunächst ein paar Schritte weiterging und dann zurückkehrte. Als die 41-Jährige seine plumpen Anmachversuche abwies, packte der Mann die im Aufstehen begriffene Frau, drückte sie zu Boden und vergewaltigte sie. "Ich habe ihr anschließend noch die Hand gegeben, danke gesagt und bin gegangen", sagt der mutmaßliche Täter am Montag zum Prozessauftakt. Der 30-jährige Junggeselle legt an diesem Morgen ein Geständnis ab, nachdem er in den Vernehmungen zuvor alle Vergewaltigungs-Vorwürfe stets abgestritten und von einer "einvernehmlichen Sache" gesprochen hatte. Wie erniedrigend muss das wohl für ein Opfer sein?

Immerhin erspart der Angeklagte durch sein spätes Geständnis der Nebenklägerin eine detaillierte Zeugenaussage; und sich ein paar Monate Gefängnis. Höchstens acht Jahre wird der 30-Jährige für die Vergewaltigung hinter Gitter wandern, hat ihm der Vorsitzende Richter Armin Hardt nach einer Absprache aller Prozessbeteiligten zugesagt. Vorausgesetzt, der Angeklagte legt ein umfassendes Geständnis ab.

Trotzdem: Dass sich die Gefängnistüren für den Angeklagten nach maximal acht Jahren wieder öffnen, ist auch nach der Absprache keinesfalls ausgemacht. Denn über dem 30-jährigen schwebt noch das Damoklesschwert der Sicherungsverwahrung. Würde die vierköpfige Kammer die Sicherungsverwahrung anordnen, bliebe der Mann auch nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe auf unbestimmte Zeit weiter in Haft.

Dem Angeklagten droht die Sicherungsverwahrung, weil er schon einmal wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist - zu mehr als sechs Jahren Haft. Er hatte im Januar 2001 ebenfalls in Wittlich ein 15-jähriges Mädchen missbraucht. Erst Anfang Juni dieses Jahres öffneten sich für den 30-Jährigen die Gefängnistore - fünf Wochen vor der brutalen Vergewaltigung, die jetzt in Trier verhandelt wird.

"Ich denke, das war eine Kurzschlussreaktion", sagt der Angeklagte, als ihn gestern der Vorsitzende Richter nach seinem Motiv fragt. "Haben Sie sich denn auch mal Gedanken über das Opfer gemacht?", hakt der Richter nach. "Sie hat mir schon ein wenig leidgetan", antwortet der 30-Jährige, "so eine Vergewaltigung ist nicht so leicht zu verkraften."

Das Opfer ist nicht im Sitzungssaal, als ihr mutmaßlicher Peiniger das sagt. Und die Frau schaut ihm auch nicht in die Augen, als sie wenig später den Raum betritt. "Es tut mir leid, was ich dir angetan habe", sagt der Angeklagte später und bemerkt nicht, wie demütigend es sein muss, dass der mutmaßliche Täter sein Opfer duzt.

Das Urteil fällt in einer Woche.

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