"Sie ist voller Pläne gewesen"

Im Prozess gegen einen 30-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen wegen Totschlags durch Unterlassung hat gestern der Vater der gestorbenen Ex-Freundin (20) des Mannes ausgesagt. Sie war im vergangenen Jahr an der Überdosis einer Partydroge gestorben.

Trier. Fast eineinhalb Stunden behält er die Fassung, kann seine Trauer, seine Wut verbergen. Kurz vor Ende der Vernehmung muss der 55-Jährige weinen: als er erzählt, wie er seine Tochter im Juni vorigen Jahres zum letzten Mal gesehen hat, kurz bevor sie von zu Hause im nordrhein-westfälischen Brakelsiek wieder nach Trier fuhr, wo die 20-Jährige Biologie studierte. Ein paar Tage danach ist die Lehramtsstudentin tot - gestorben in ihrem Zimmer an einer Überdosis des hochgefährlichen Lösungsmittels Gamma-Butyrolacton (GBL). Über 20 Milliliter des vor allem in der Technoszene als Partydroge bekannten Mittels haben Rechtsmediziner im Blut der Toten gefunden. Bereits fünf bis sechs Milliliter können laut dem gestern vor Gericht gehörten Toxikologen tödlich sein.

Mit schuld an dem Tod soll der 30-jährige Ex-Freund der Studentin sein. Unklar ist, ob er ihr das Lösungsmittel, das er angeblich selbst regelmäßig genommen hat, verabreicht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem aus einem Nachbarort der jungen Frau stammenden Mann vor, nichts unternommen zu haben, als seine Ex-Freundin ins Koma fiel. Er soll aus der Wohnung, in der sie zusammen mit einer Studentin lebte, weggegangen sein, ohne den Notarzt zu verständigen. Als die Mitbewohnerin später um Hilfe rief, war es bereits zu spät: Da war die 20-Jährige bereits hirntot. Der Notarzt hatte sie nicht reanimieren können.

Laut dem Gutachten des Toxikologen hätte die Studentin "sehr gute Überlebenschancen" gehabt, wenn ihr rechtzeitig geholfen worden wäre.

Nach der Einnahme der Partydroge falle man zunächst in einen tiefen Schlaf. Bei einer Überdosis gehe dieser Schlaf aber später in ein Koma über, das zum Atemstillstand und zum Tod führe. Das Lösungsmittel ist sowohl in einem Wasser- als auch in einem Bierglas, die im Zimmer der Studentin sichergestellt worden sind, nachgewiesen worden.

Im Gerichtssaal würdigt der Vater des Opfers den Angeklagten keines Blickes. Genau wie schon gleich zu Beginn des Prozesses die drei Jahre ältere Schwester der Studentin lässt auch der 55-Jährige, der zusammen mit seiner Frau in Brakelsiek eine Gaststätte führt, kein gutes Haar an dem Mann. Er habe sie "im Griff gehabt", sie habe nur getan, was der zehn Jahre Ältere wollte. Seit sie ihn als 17-Jährige kennengelernt habe, habe sie sich verändert. Sie sei immer unzuverlässiger geworden, sei oft nachts nicht nach Hause gekommen, habe nicht mehr in der Kneipe geholfen. "Das kann nur an ihm gelegen haben."

Vorher sei seine Tochter "immer gut drauf" gewesen, habe immer gelacht. "Ich hätte mir keine bessere Tochter wünschen können." Und dann verliert er die Fassung: "Sie war voller Pläne", sagt er unter Tränen. Seit sie in Trier studiert und sich von dem 30-Jährigen getrennt habe, sei sie "wie früher" gewesen. Warum der Mann sich trotzdem in der Todesnacht und Tage davor bei ihr aufhielt, ist noch unklar. Ein Rätsel ist auch, wer der jungen Frau mit einem Messer oder eine Rasierklinge auf den Bauch "Leave me" (Verlass mich) geritzt hat, wie die Rechtsmedizinerin berichtet.

Der 30-Jährige schweigt. Er ist allerdings nicht mehr ganz so regungslos wie zu Beginn des Prozesses. Immer wieder reagiert er mit Kopfschütteln auf die Aussagen des Vaters.

Der Mutter der Toten bleibt die Aussage erspart. Sie sei immer noch in psychiatrischer Behandlung, sagt ihr Mann. Das Gericht verzichtet darauf, die Frau zu laden.