Sie sind unter uns

Trier · Sie flicken kaputte Kanäle, melken Kühe, schreiben die Bibel ab, polieren Metall, sortieren Medikamente und spielen sogar Fußball. Auch in der Region Trier gibt es zahllose Beispiele dafür, dass Roboter längst zum Alltag gehören.

Trier. Weiden und Weinberge, hübsche Dörfchen, saftiges Grün - so idyllisch und ländlich weite Teile der Region Trier wirken mögen - auch hier haben Roboter längst den Arbeitsalltag vieler Menschen erobert und erleichtert. So müssen die Stadtwerke Trier nicht mehr ganze Straßenzüge aufreißen, um einen defekten Abwasserkanal zu reparieren. Stattdessen schicken sie einen Roboter in den Untergrund, der die Risse flickt. In vielen Apotheken muss niemand mehr hinter den Kulissen verschwinden, um Medikamente zu suchen. Ein Roboter hat sie millimetergenau einsortiert und findet die Packungen in Sekundenschnelle. In Krankenhäusern sorgen die Automaten sogar dafür, dass die Patienten morgens, mittags und abends die richtige Dosis Medizin bekommen. Die Macher dieser Hightech-Medikamentenlager haben ihren Firmensitz übrigens in der Eifel: 370 Menschen arbeiten bei Rowa Technologies in Kelberg. Laut Walter Jakoby, Professor für Automatisierung an der Hochschule Trier, zeichnet sich die Region Trier auch durch eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen aus, die Anwendungen für Roboter programmieren. "Wir brauchen mehr Ingenieure, die in der Lage sind, solche Aufgaben zu lösen", sagt Jakoby. Während Industrieroboter in verarbeitenden Betrieben bereits seit Jahrzehnten monotone, schwere oder gefährliche Arbeiten übernehmen, spielen intelligente Maschinen im Handwerk bisher keine große Rolle. Allerdings schreitet die Digitalisierung auch dort voran. Das Kompetenzzentrum digitales Handwerk in Koblenz berät Betriebe, die ihre Prozesse optimieren wollen. Matthias Schwalbach von der Handwerkskammer geht davon aus, dass auch das Handwerk sich so grundlegend verändern wird - und sieht darin eine Chance. So habe ein Zahntechnik-Betrieb, der Probleme hatte, Facharbeiter zu finden, eine Maschine angeschafft, die den Zahnersatz eigenständig nachts fertige. Dass eines Tages ein Roboter kommt, um die lecke Heizung oder den kaputten Rollladen zu flicken, glaubt Schwalbach allerdings nicht. Handwerklich besonders begabt zeigte sich ein einarmiger Roboter, der während der Heilig-Rock-Wallfahrt 2011/2012 für großen Medienrummel sorgte: Er schrieb vor dem Dom in einem Glaskasten die Bibel ab. Rund 1,3 Millionen Menschen bestaunten ihn bei der Arbeit. Kleiner Schönheitsfehler: aus "unerfindlichen Gründen" schrieb der Bibel-Robo zu schnell, wurde zu früh fertig und bekam daher noch mal ein paar Extra-Evangelien aufgebrummt. Selbst dort, wo man sie am wenigsten vermutet, sind Roboter zu Hause: zwischen den Kühen im Stall. Sich um die eigene Achse drehend und leise piepend schiebt das runde Robotermodell Juno den Tieren in einem Wilsecker Stall mehrfach täglich das Heu so hin, dass sie entspannt fressen können (der TV berichtete). Wenige Meter weiter stehen Melkroboter, die Zitzen reinigen und mit Laserstrahlen abtasten, um die Melkbecher aufzusetzen. In rund 270 regionalen Höfen melken inzwischen solche Roboter die Kühe, messen Milchtemperatur, Eiweißgehalt oder Wiederkäuaktivität und teilen dem Bauern mit, wann eine Kuh brünstig ist. Das Unternehmen, das diese Hightech-Geräte vertreibt, sitzt in der Region: das Lely-Center bei Fließem (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Auch, wer einen Roboter braucht, der schleifen, polieren, bürsten oder entgraten kann, ist in der Eifel richtig: Die Cimotec Automatisierungs GmbH in Bitburg stellt seit 1992 Industrieroboter für die Bearbeitung von Oberflächen her. Solche und ähnliche Maschinen kommen in zahlreichen verarbeitenden Betrieben der Region zum Einsatz. Es gibt allerdings auch einen neuen Trend: Laut Axel Haas, Geschäftsführer des Wittlicher Unternehmens Arend Prozessautomation, kommen in Betrieben immer öfter kollaborative Roboter zum Einsatz. Sie ersetzen den Menschen nicht, sondern arbeiten mit ihm zusammen - zum Beispiel, indem sie schwere Teile bewegen. Diese Roboter seien mit Preisen zwischen 20 000 und 100 000 Euro deutlich günstiger und daher auch für kleinere Betriebe erschwinglich. Sie seien leicht zu programmieren: So braucht man den Roboterarm nur zu packen und ihm die Bewegung zu zeigen, die er ausführen soll. "Da steht immer noch ein Mensch, aber er wird körperlich massiv entlastet", sagt Haas. Er sieht im Einsatz von Robotern große Chancen. So könnten deutsche Unternehmen mit Firmen konkurrieren, die in Billiglohnländern produzieren. Zumal es in der Industrie 4.0 einfacher ist, die individuellen Wünsche der Kunden zu berücksichtigen. Hochschul-Professor Jakoby nimmt das Beispiel einer Autofabrik: Früher sahen die Autos, die von einer Produktionslinie stammten, alle gleich aus. Heute wird das gleiche Grundmodell dort in unterschiedlichsten Ausführungen gefertigt. Ermöglicht werde dies durch moderne Datenkommunikation. Die Maschinen können kommunizieren: So teilen Produkte Robotern mit, was mit ihnen geschehen soll. Auch Heinz Schwind von der Industrie- und Handelskammer Trier betont die Chancen der neuen Technik. "Man muss den Roboter auch als Kollegen sehen." Denn durch ihn verbesserten sich in den Betrieben die Arbeitsbedingungen - übernehmen die Maschinen doch oft gefährliche oder unliebsame Arbeiten - mit stets gleichbleibend hoher Motivation. Da Entscheidungen im Arbeitsprozess künftig öfter als jetzt dezentral getroffen werden, glaubt Schwind, dass die Anforderungen an die sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Mitarbeiter steigen werden. Auch für Tüftler-Nachwuchs wird in der Region gesorgt. Die Fachrichtung Elektrotechnik der Hochschule Trier lädt Oberstufenschüler einmal jährlich zum Roboter-Workshop ein. Dort lernen sie, wie sie mit Hilfe der "linearen Algebra die Kinematik eines Roboters berechnen können". Klingt kompliziert. Kein Problem scheint so etwas für die Arbeitsgruppe Robotik des Saarburger Gymnasiums zu sein: Drei Schüler erschufen 2015 fußballspielende Apparate aus Legobausteinen - einen Torwart und einen Feldspieler - die dank ballerkennender Sensoren so überzeugend kickten, dass die Schüler die deutsche Roboter-Olympiade gewannen und sich für die Welt-Roboter-Olympiade in Katar qualifizierten. Abwarten, welche schlauen Maschinen schlaue Köpfe der Region als Nächstes hervorbringen. Ist der Mensch ersetzbar? Der Frage, welche Folgen die Digitalisierung für die Arbeitswelt hat, widmet sich ein Diskussionsabend, der auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 12. Juli ab 18.30 Uhr im Karl-Marx-Haus Trier stattfindet.Extra

Das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium ist der Ansicht, dass die neuen Technologien Herausforderungen, aber auch große Wachstumschancen mit sich bringen. Gerade für Deutschland als Hochtechnologieland biete die Industrie 4.0 das Potenzial für neue Jobs in Industrie, Dienstleistung und Handel, vor allem im Mittelstand. Es entstünden auch neue Berufsbilder. Die Fortschrittsdiskussion dürfe allerdings nicht zu einer Absenkung des Schutzniveaus zulasten der Beschäftigten führen. Der Gesetzgeber und alle beteiligten Parteien müssten sich weiter für faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen, sichere Arbeitsplätze, Gesundheitsschutz, eine ausreichende Altersvorsorge und eine starke Mitbestimmung einsetzen. Die Landesregierung werde einen Masterplan zur Gestaltung der Zukunft der Arbeit entwickeln. Dietmar Muscheid, Bezirksvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds, sieht ebenfalls Chancen und Risiken. "Wir glauben nicht an menschenleere Produktionshallen und Büros, in denen nur noch Server stehen. Dennoch ist klar, dass sich die Arbeitswelt wandeln wird. Dabei werden sich manche Berufsbilder so stark verändern, dass sie in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existieren, und andere werden komplett neu entstehen. Für uns muss gelten, dass kein Beschäftigter in keiner Branche zurückgelassen wird", sagt er. Dazu brauche es einen gesetzlichen Rahmen, eine Qualifizierungsoffensive und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Mos

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