Sirenenklänge ohne Substanz

Der jüngste Wahlsonntag und die Krise der großen Koalition haben die Fantasie beflügelt. Liberale und Grüne können mittlerweile vor Kraft kaum noch laufen. Da liegt es nahe, über neue Farbenspiele in Berlin zu schwadronieren.

FDP-Vize Rainer Brüderle dient seine Partei der SPD an. Und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer erklärt, was Brüderle tun müsste, um gemeinsam ins Regierungsbett zu steigen. Richtig ist, dass ein Ampel-Bündnis über eine Stimmenmehrheit im Bundestag verfügen würde. Nicht jede rechnerische Mehrheit ist aber gleich eine politische Mehrheit. Nur Blauäugige können glauben, dass ein rot-gelb-grünes Kabinett derzeit besser funktionieren würde als ein schwarz-rotes. Eben erst hat sich die FDP beim Libanon-Einsatz verweigert. Andererseits verfolgen die Liberalen ein so radikales Gesundheitskonzept, dass der Konflikt zwischen Union und SPD an dieser Stelle eher wie ein Austausch von Wattebällchen wirkt. Nach Ansicht von Rainer Brüderle tut das aber alles nichts zur Sache. Entscheidend seien nicht die unterschiedlichen Positionen, "sondern ob die Partner anständig miteinander umgehen". Das klingt nach politischer Prinzipienlosigkeit und Mitregieren um jeden Preis. Hier war die FDP eigentlich schon weiter. Es ist das gute Recht, ja sogar die Pflicht der Opposition, die Regierenden vor sich her zu treiben. Besser als fruchtlose Farbenspiele wären allerdings praktikable alternative Konzepte. An dieser Stelle wird es in der Opposition ziemlich dünn. Es reicht eben nicht, immer schriller den Anspruch auf die Macht zu formulieren, ohne zu sagen, was man damit eigentlich anfangen will. So sorgen die Sirenengesänge zwar für einen gewissen Unterhaltungswert. Aber auch davon ist das Publikum irgendwann gelangweilt. nachrichten.red@volksfreund.de

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