So wird Steuergeld verprasst

Fehlplanungen beim Lärmschutz, galoppierende Kosten bei EU-Projekten, Luxusbauten im Berliner Regierungsviertel - zum 38. Mal hat der Bund der Steuerzahler in einem "Schwarzbuch" haarsträubende Beispiele für den sorglosen Umgang mit öffentlichen Geldern aufgelistet.

Berlin. Kein Ende der Verschwendung von Steuergeld: Ursache der Auswüchse sei häufig eine "Es-ist-ja-nicht-mein-Geld"-Mentalität, hat Steuerzahlerbund-Chef Karl-Heinz Däke gestern bei der Vorstellung der Sündenliste in Berlin erklärt. Dargestellt werden 127 Fälle, die den Steuerzahler unnötig belasten und teils so skurril anmuten, dass man darüber lachen könnte, wenn es nicht so traurig wäre.

Im niedersächsischen Buxtehude etwa wurde für 70 000 Euro ein Schwimmsteg gebaut, damit die Fußgänger unterhalb der Hafenbrücke ans andere Ufer gelangen können. Bei Planung und Bau vergaß die Kommune jedoch, Ebbe und Flut einzukalkulieren, sodass Benutzer den Steg zeitweise nur kriechend passieren könnten. Seit der Fertigstellung ist der Ponton gesperrt.

Auf der neu gebauten ICE-Strecke von Köln nach Frankfurt mussten derweil rund 20 Kilometer Lärm- und Windschutzwände wieder abgebaut werden. Grund: Die Druck- und Soglasten der vorbeirauschenden Züge waren falsch berechnet worden. Die Kosten laut Steuerzahlerbund: rund 45 Millionen Euro.

Auch die Bundestagsverwaltung sieht sich mit dem Vorwurf der Verschwendung konfrontiert. Im "Schwarzbuch" wird der Bau eines 80 Meter langen Tunnels kritisiert, durch den die Volkvertreter und Mitarbeiter stets trockenen Fußes von einem Verwaltungsgebäude zum Jakob-Kaiser-Haus gelangen können, das auf der anderen Straßenseite steht. Kosten: 7,5 Millionen Euro. Dabei könne man den Abgeordneten durchaus zumuten, die Straße zu überqueren, meint Däke.

Erfolgreiche Intervention: Zweifelhafte Reise abgesagt



Richtig teuer könnte den deutschen Steuerzahler der von der Europäischen Union initiierte Bau eines Kernfusionsreaktors in Frankreich zu stehen kommen. Anfänglich sollte die EU 2,7 Milliarden Euro zu den Projektkosten beisteuern. Inzwischen spricht die EU-Kommission von 7,2 Milliarden Euro. Da Deutschland mit knapp 20 Prozent den größten Beitrag zum EU-Haushalt leiste, dürfte unser Land der Hauptleidtragende sein, resümierte Däke.

Als einsamer Rufer in der Wüste sieht sich der Verbandschef übrigens mitnichten. Däke führte mehrere Fälle an, in denen eine Verschwendung verhindert werden konnte. Auf Druck des Verbandes wurde etwa eine zweifelhafte Reise von 25 Parlamentariern des Berliner Abgeordnetenhauses zur Expo nach China abgesagt. Und in Landshut kam es nicht zur Versetzung einer künstlerischen Skulptur, was etwa 90 000 Euro gekostet hätte.

Laut Däke lassen sich die Missstände nur mit einem Amtsankläger wirkungsvoll bekämpfen, der ähnlich wie eine Staatsanwaltschaft Fällen von offensichtlicher Verschwendung nachgehen solle. Bei der Politik hat der Verband dafür noch keine Unterstützung gefunden. Viele Experten halten den Steuerzahlerbund ohnehin für wenig seriös, weil er Zahlen von Verschwendungen hochrechne, die nur unzureichend belegt seien. Wohl auch deshalb wollte sich Däke nicht auf eine Schätzzahl über das gesamte Verschwendungsvolumen einlassen. In den Vorjahren war hier stets von etwa 30 Milliarden Euro die Rede. Gestern meinte Däke nur: "Jeder verschwendete Steuereuro ist ein Euro zu viel". extra Im Schwarzbuch werden auch Projekte in Rheinland-Pfalz kritisiert. Dazu zählt das Schlosshotel in Bad Bergzabern. Opposition und SPD-Regierung liefern sich seit Wochen einen heftigen Schlagabtausch um das Vier-Sterne-Hotel. Die Umbaukosten seien von ursprünglich 3,1 auf mehr als 7,2 Millionen Euro gestiegen, so der Steuerzahlerbund. Der Investor müsse aber nur 120 000 Euro Pacht pro Jahr zahlen und könne das Objekt in zehn Jahren für 1,4 Millionen Euro komplett kaufen. Einmal mehr taucht der Nürburgring im Schwarzbuch auf. "Kein Jahr ohne neue Hiobsbotschaften von Deutschlands teuerstem staatlichen Vergnügungsbetrieb", heißt es. Die Kosten für den Ausbau sind völlig aus dem Ruder gelaufen und liegen nun bei mehr als 330 Millionen Euro statt der geplanten 210 Millionen Euro. Auch der Bau einer Ortsumgehung für die Ortschaft Obersimten bei Pirmasens ist dem Steuerzahlerbund ein Dorn im Auge. Die knapp 1,5 Kilometer lange Straße um das 625 Einwohner zählende Dorf habe 2,8 Millionen Euro gekostet. Ein Parkhaus in Worms habe Stadt und Land jeweils rund drei Millionen Euro gekostet. "Doch seit der Fertigstellung wird offensichtlich, dass das Parkhaus überhaupt nicht gebraucht wurde", heißt es vom Steuerzahlerbund..

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