Späte Sühne

Wegen eines neun Jahre zurückliegenden Gewaltverbrechens sind gestern die Ehefrau und die Tochter des Opfers zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Verteidiger kündigten an, gegen das Urteil Revision einzulegen.

Trier. Der Trie rer Staatsanwalt Eric Samel wird mehr als zufrieden gewesen sein, als die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz gestern Nachmittag nach 70 Minuten am Ende ihrer Urteilsbegründung angelangt ist. In nahezu allen Punkten ist das fünfköpfige Erste Schwurgericht dem zwei Tage zuvor abgehaltenen Plädoyer Samels gefolgt. Und auch in den Schuldsprüchen - zwölf Jahre Gefängnis für die 59-jährige Gertrud M. und zehn Jahre Haft für ihre 42-jährige Tochter Manuela - folgt die Kammer dem Antrag des Anklägers.Nach neun Monaten und 24 Verhandlungstagen ist damit einer der wohl spektakulärsten Prozesse zu Ende gegangen, den die Region je erlebt hat. Ein fast perfektes Gewaltverbrechen

Es ging um ein neun Jahre zurückliegendes, fast perfektes Gewaltverbrechen. Im Mai 1999 erdrosselte Manuela ihren 61 Jahre alten Vater Karl-Heinz - auf Anweisung ihrer Mutter, so das Gericht. Wochenlang hatte Gertrud zuvor ihrem Ehemann heimlich das eigentlich dem psychisch kranken Sohn verschriebene Neuroleptikum Truxal in den Tee gemischt, bis der als tyrannisch beschriebene Früh-Rentner schließlich völlig apathisch war und das Bewusstsein verlor. "Aus Mitleid" und weil es die Mutter so befohlen hatte, will die Tochter den eigenen Vater schließlich getötet haben. Die Leiche des 61-Jährigen schafften die beiden Frauen dann von ihrem damaligen Heimatort Overath bei Köln nach Südfrankreich und versteckten sie in einem Waldgebiet. Zwar wurde das Skelett zwei Jahre später entdeckt. Doch die Identifizierung gelang erst, nachdem die Tochter, von Gewissensbissen geplagt, vor drei Jahren in Bitburg zur Polizei ging und das Verbrechen gestand.Es folgten aufwendige Ermittlungen, die auch noch andauerten, als im Juli vorigen Jahres vor dem Trierer Landgericht der Prozess gegen die beiden Frauen begann. Nicht gerade erleichtert wurde die Wahrheitsfindung vor allem durch das sprunghafte Aussageverhalten der Tochter, auf die sich die Anklage der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen stützte. Mehr als einmal widerrief die psychisch sichtbar angeschlagene Manuela ihr Geständnis, um es später zu erneuern. Das Gericht - eine weitere Parallele zum Plädoyer des Staatsanwalts - glaubte aber schließlich der "Bitburger Version", also Manuelas erster Aussage bei der Polizei. Der Hauptgrund: Nahezu alle Angaben, die die Tochter dort machte, wurden durch spätere Ermittlungsergebnisse untermauert. So fehlte bei dem 2001 in Südfrankreich entdeckten Skelett von Karl-Heinz M. etwa das Zungenbein - Indiz für eine Erdrosselung, wie sie Manuela auch geschildert hat. In von der Polizei sichergestellten Haar-Resten fanden sich darüber hin-aus Rückstände des Neuroleptikums Truxal. Selbst neun Jahre nach dem Verbrechen konnten Toxikologen noch feststellen, dass es dem Opfer zuvor monatelang verabreicht worden sein muss. Dass es Gertrud M. war, die ihrem Ehemann das Medikament ohne dessen Wissen gab, steht für das Trierer Gericht fest. "Sie haben eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt und von langer Hand geplant, den Ehemann zu schädigen", sagt die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz. Vor den Trümmern ihrer Existenz

Gertrud M. schüttelt während der Urteilsbegründung immer wieder kaum merklich den Kopf. Sie hat bis zum Schluss geleugnet, etwas mit dem Gewaltverbrechen an ihrem Mann zu tun zu haben. Die selbst ernannte Heilerin steht vor den Trümmern ihrer Existenz. Zumindest acht der verhängten zwölf Jahre Gefängnis wird die 59-Jährige absitzen müssen. Ein, zwei Jahre früher wird womöglich Tochter Manuela entlassen. Aber seit die 42-Jährige zur Polizei gegangen ist, um das Verbrechen anzuzeigen, haben sich die beiden Frauen ohnehin nichts mehr zu sagen. Manuelas fünfjährige Tochter, für die Gertrud zuletzt das Sorgerecht hatte, ist inzwischen in einem Kinderheim untergebracht. Und der psychisch kranke Sohn und Bruder der beiden Frauen lebt in einem Pflegeheim. Neun Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Karl-Heinz M. ist die ganze Familie zerstört. extra Gefängnisstrafen von mehr als zehn Jahren sind auch in Trier nicht an der Tagesordnung. Der Trierische Volksfreund dokumentiert die härtesten Urteile des Landgerichts der vergangenen Jahre: März 2008: Ein 46-Jähriger Mehrfach-Bankräuber wird zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Dezember 2006: Eine 32-jährige Eifelerin wird wegen der Tötung eines kleinen Mädchens zu 13 Jahren Haft verurteilt. Juli 2006: Ein 36-Jähriger wird wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. März 2006: Zehn Jahre Gefängnis lautet das Urteil gegen einen 59-jährigen Bankräuber. April 2005: Weil er seine Ehefrau ermordet hat, muss ein 45-Jähriger lebenslang hinter Gitter. Juli 2004: "Lebenslänglich" wegen Mordes lautet das Urteil gegen einen 22-jährigen Obdachlosen. August 2003: Ein 44-jähriger Mann aus der Eifel wird wegen zigfachen sexuellen Missbrauchs der eigenen Tochter zu elf Jahren Haft verurteilt. April 2003: Zwölf Jahre Gefängnis wegen Drogenhandels und Verstoßes gegen das Waffengesetz: So lautet das Urteil gegen einen 39-jährigen Trierer. März 2003: Ein 37 Jahre alter Trierer, der seine Ehefrau erwürgt hat, muss für zwölf Jahre ins Gefängnis. Dezember 2002: Ein 25-Jähriger, der seinen Freund totgetreten hat, wird zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. (sey)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort