SPD entdeckt die Arbeitnehmer neu

Fünf Monate nach dem Machtverlust im Bund ist die Führung der SPD zum Teil deutlich von ihrer einst beschlossenen Hartz-Reform abgerückt. Die Partei dokumentiert ihre Positionen in einem zwölf Seiten langen Papier.

Berlin. "Fairness auf dem Arbeitsmarkt" - so ist das Parteipapier überschrieben, in dem die Sozialdemokraten unter anderm einen auch von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro sowie einen massiven Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors fordern. "Sozial ist, was Arbeit schafft, von der man leben kann", sagte Parteichef Sigmar Gabriel bei der Vorstellung des Beschlusskonzepts gestern in Berlin. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Warum reformiert die SPD ihre eigene Reform?

Weil der Druck von der Parteibasis dafür übermächtig ist. Bereits im Januar hatte Parteichef Gabriel angekündigt, in Zukunft wieder mehr "Arbeitnehmerpolitik" machen zu wollen. Schon damals wurden Korrekturen für den Leiharbeitssektor angekündigt, den die SPD unter der Kanzlerschaft Gerhard Schröders massiv ausgeweitet hatte, um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. In dem neuen Beschluss heißt es nun selbstkritisch, die Leiharbeit sei eher ein Instrument der "Lohndrückerei".

Was will die SPD für Leiharbeiter ändern?

Die SPD will das Gesetz so ändern, dass Beschäftigte "nach einer kurzen Einarbeitungszeit" im Entleihbetrieb grundsätzlich den gleichen Lohn erhalten wie vergleichbare Stammbeschäftigte. Zugleich soll die sogenannte sachgrundlose Befristung abgeschafft werden, mit der sich mancher Beschäftigte praktisch von einem befristeten Job zum nächsten hangeln muss. Dagegen hat die schwarz-gelbe Koalition weitere Erleichterungen für Zeitverträge vereinbart.

Soll es mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger geben?

Ja und Nein. Höhere Regelsätze sind in dem Konzept nicht enthalten. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verbieten sich hier auch Schnellschüsse. Allerdings will die SPD beim Arbeitslosengeld II komplett auf die Anrechnung der privaten Vorsorge für die Rente verzichten. Dadurch könnten mehr Menschen ALG II erhalten, die nach den bisherigen Regelungen keinen Anspruch darauf hätten. Darüber hinaus will die SPD den Übergang vom Arbeitslosengeld I zu Hartz IV großzügiger geregelt wissen. In dem bislang auf zwei Jahre angelegten Übergangszuschlag von monatlich maximal 160 Euro sollen sich künftig auch die Beschäftigungszeiten der Arbeitnehmer niederschlagen.

Was sagt die SPD zum Arbeitslosengeld I?

Nach den Vorstellungen der Partei soll der Anspruch auf das normale Arbeitslosengeld um bis zu einem halben Jahr verlängert werden, wenn der Betroffene an berufsqualifizierenden Maßnahmen teilnimmt, bei "anspruchsvollen Qualifizierungen" sogar um bis zu einem Jahr. Angaben zu den Kosten macht die SPD nicht. Gegenwärtig besteht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I im Grundsatz nur für ein Jahr.

Was hat es mit dem "sozialen Arbeitmarkt" auf sich?

So umschreibt die SPD ihre Forderung nach einem massiven Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors, wie er auch von der Linkspartei verlangt wird. Für Langzeitarbeitslose, die auf dem normalen Arbeitmarkt keine Beschäftigung mehr finden, will die SPD in den kommenden zwei Jahren zusätzlich 200 000 Jobs schaffen. Dafür sollen drei Milliarden Euro investiert werden. Finanzierungsvorschläge dazu will die Partei im Rahmen der Beratungen zu den Haushaltsplänen machen.

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