SPD-Frontfrau Kraft will Ypsilantis Fehler vermeiden

Obwohl auch die SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Stimmen verloren hat, feiert sie ihre Spitzenkandidatin Hannelore Kraft als "gefühlte" Wahlsiegerin. Einhellige Meinung bei den Sozialdemokraten: Kraft muss CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ablösen.

Berlin. Was Thorsten Schäfer-Gümbel der nordrhein-westfälischen SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft rät? "Geduldig sein", sagt der hessische SPD-Vorsitzende. Sein Landesverband zeigte diese Tugend 2008 nicht, als noch Andrea Ypsilanti Vorsitzende war und nach einem ähnlichen Wahlergebnis wie jetzt in Düsseldorf zu früh auf Rot-Rot-Grün setzte. Aus den hessischen Fehlern lernen heißt siegen lernen: Das ist bei der Wahlnachlese im SPD-Parteivorstand in Berlin die verdeckte Losung des Tages.

Die Ähnlichkeiten sind tatsächlich frappierend. Hier wie dort wurde die SPD in letzter Minute noch überholt. In Hessen um rund 3200 Stimmen, erinnert sich Schäfer-Gümbel. Im weit größeren Nordrhein-Westfalen sind es 6400. Hier wie dort ist für die SPD lediglich eine Große Koalition möglich, bei der aber die Gefahr besteht, dass man nur Juniorpartner des Wahlverlierers CDU wird. Oder ein Dreierbündnis mit FDP und Grünen oder Linken und Grünen. "Hessische Verhältnisse", das Wort hat einen Schreckensklang. "Hessen und Nordrhein-Westfalen sind in keiner Weise vergleichbar", sagt Hannelore Kraft am Montag beschwörend.

Als Erstes Gespräche mit den Grünen



Tatsächlich scheint man es diesmal anders angehen zu wollen als damals. Ohne Ratschläge von außen, vor allem ohne Hektik. "Mit aller Ruhe und aller Kraft" müsse man nun verhandeln, wagt Parteivize Olaf Scholz ein Wortspiel. Zuerst werde es Gespräche mit den Grünen geben, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, und dann mit den anderen Parteien, bei denen sich im Übrigen noch etwas bewegen werde. "Es wird Personalentscheidungen bei der CDU geben, und in der FDP werden sich manche überlegen, ob das alles richtig war, was sie in der Wahlnacht gesagt haben". Gemeint ist FDP-Landeschef Andreas Pinkwart, der eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen ausgeschlossen hat. Auf ihn wird jetzt großer Druck ausgeübt. "Angesichts des Wahlergebnisses unangemessen" nennt SPD-Parteichef Sigmar Gabriel Pinkwarts Absage. Kraft hat, anders als Ypsilanti, die Option einer rot-rot-grünen Koalition vor der Wahl nie definitiv abgelehnt. Die SPD hat also mehrere Möglichkeiten und soll sie, so darf man die Botschaft verstehen, kühl austesten.

Gabriel kann Kraft seinen Blumenstrauß aus roten Gerbera und Rosen lange nicht überreichen, weil die Mitarbeiter und Präsidiumsmitglieder die "gefühlte" Wahlsiegerin so ausgiebig beklatschen. "Danke, dass du uns von den vielen schwierigen Wahlabenden hier im Willy-Brandt-Haus befreit hast", sagt der Vorsitzende. Für die SPD insgesamt sei nun die Trendwende eingeleitet. "Das Ergebnis muss dazu führen, dass du Ministerpräsidentin wirst". Dass Kraft den Auftrag zur Regierungsbildung an Rhein und Ruhr hat, ist an diesem Montag in der SPD-Parteizentrale einhellige Meinung. Der Rückstand zur Union wird verdrängt. Kraft selbst spricht von "gleich starken Fraktionen" und nennt die CDU die "klare Wahlverliererin". Brandenburgs Matthias Platzeck freut sich "wie Bolle": Er staune, "wie erdrutschartig" Schwarz-Gelb Vertrauen verloren habe. Heiko Maas ist weniger enthusiastisch. Vor einem Dreivierteljahr hatte er im Saarland die Möglichkeit, mit einer Links-Koalition selbst Ministerpräsident zu werden, und musste dann erleben, dass die Grünen lieber mit FDP und CDU regierten. Maas prophezeit, dass die Regierungsbildung in Düsseldorf noch sehr schwierig werden wird. "Dazu habe ich selbst zu viel erlebt".

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