SPD macht bei Wehrpflicht mobil

BERLIN. Zahlreiche junge Genossen trugen ihre Meinung sichtbar am Jackett. "Wehrpflicht: wegtreten", hieß es auf ihren Ansteckern. Aber das ist bei den Sozialdemokraten längst nicht Allgemeingut. Auf einer Fachtagung am Wochenende in Berlin wurde das gespaltene Verhältnis der Partei zum Zwangsdienst deutlich.

"Startschuss" für eine breite inhaltliche Diskussion über das Schicksal des Wehrdienstes: Bei einer Tagung zu diesem Thema hat die SPD eine Diskussion losgetreten, aus der ein Bundesparteitag im November kommenden Jahres einen Beschluss destillieren soll. Ginge es nach dem Bundesverteidigungsminister, dann könnten sich die Genossen den Disput allerdings sparen. Peter Struck ist ein glühender Verfechter der Wehrpflicht. Merkwürdig nur, dass er bei der weiteren Bundeswehrplanung alternativ auch mit einer Berufsarmee kalkuliert. In seiner Rede vor den Parteifunktionären und Wissenschaftlern warb Struck noch einmal nachdrücklich für die Beibehaltung des neunmonatigen Grundwehrdienstes. Die seit 1957 bestehende Wehrform sei nicht nur weiter "sicherheitspolitisch legitimiert", sondern für den künftigen Umfang der Truppe von etwa 250 000 Soldaten unverzichtbar. Eine erneute Reduzierung würde Abstriche bei ihren Auslandseinsätzen bedeuten, warnte der Minister. Andererseits gab er zu erkennen, dass die Aufgaben der rund 55 000 Wehrpflichtigen dann durch Zeitsoldaten wahrgenommen werden müssten, was allerdings einen milliardenschweren Kostenschub etwa durch Nachwuchswerbung und attraktive Besoldung zur Folge hätte. "Wer die Wehrpflicht abschaffen will, muss mehr Geld in die Hand nehmen", sagte Struck. Dass in den letzen Jahren immer weniger junge Männer eines Jahrgangs zum Dienst an der Waffe gerufen werden, ficht den Minister nicht an. Schließlich müsse man "fein unterscheiden zwischen einer gefühlten und der tatsächlichen Wehrgerechtigkeit". Von den als wehrdiensttauglich eingestuften Personen würden immerhin 80 bis 90 Prozent in die Kasernen einrücken. Dabei umging Struck allerdings geflissentlich die Tatsache, dass sich der ausgemusterte Kreis massiv erweitert hat. Seit Juli 2003 genügt praktisch eine Brille oder Zahnspange, um der Einberufung zu entgehen. Auch Verheiratete müssen keine Uniform mehr anziehen, wie überhaupt das Einberufungsalter grundsätzlich auf 23 Jahre zurück geschraubt wurde. Durch solche Gesetzestricks kommen am Ende nur rund 15 Prozent der Männer für den Wehrdienst in Frage. Beim Pro und Kontra in der anschließenden Debatte war kein eindeutiger Trend zu erkennen. Die Ansichten wechselten zwischen drei Positionen hin und her: Gestandene Politiker wie die Verteidigungs-Experten Reinhold Robbe und Rainer Arnold stärkten Struck den Rücken. Zahlreiche Jusos, aber auch Familienministerin Renate Schmidt oder SPD-Vize Ute Vogt stritten vehement dagegen.Drei verschiedene Positionen

Und der Rest vermied einen klaren Standpunkt. Zu dieser Kategorie zählte beispielsweise der außenpolitische Fachmann der SPD, Klaus Erler. Aus dem neuen Aufgabenprofil der Bundeswehr lasse sich kein Ja oder Nein zur Wehrpflicht ableiten, meinte Erler. Robbe war anderer Ansicht. Die Wehrpflicht sei nur mit der Landesverteidigung begründbar. Und die wird für den SPD-Politiker durch den internationalen Terrorismus oder neue Formen der Kriminalität jetzt lediglich "anders buchstabiert". Ergo müsse es auch bei der Wehrpflicht bleiben. Die Gegner des Zwangsdienstes fühlten sich am Ende derDiskussion trotzdem gestärkt. Das Hauptargument der Jusos war die mangelnde Wehrgerechtigkeit, die eines Tages auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden könnte. Den Anhängern der Wehrpflicht kommt indes die traditionelle Haltung der Union entgegen - denn ganz gleich wie sich die SPD am Ende entscheidet, ohne eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag lässt sich der Zwangsdienst nicht abschaffen.

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