Spion im Ruhestand

TRIER. Ein kleine Stadt bei Trier bundesweit, ja weltweit in den Schlagzeilen. Dafür sorgte vor genau zehn Jahren "Topas". Einer der Top-Spione des Ostblocks wurde enttarnt und am 31. Juli 1993 in der Region festgenommen.

"Nein", sagt "Topas" am Telefon, "ich gebe kein Interview. Immer wieder die selben Fragen, immer wieder die selben Geschichten. Das müssen Sie verstehen." Wenn der ehemalige Nato-Mitarbeiter wollte, könnte er sich wohl von Talkshow zu Talkshow weiterreichen lassen. Besonders in Tagen wie diesen häufen sich Medien-Anfragen: Am 31. Juli jährte sich seine Festnahme zum zehnten Mal. Die Festnahme des "Mannes, der die Nato verriet", wie eine ARD-Dokumentation vor zwei Jahren titelte. Des Mannes, der vor zehn Jahren zur Person der Zeitgeschichte wurde und damit zugleich dafür sorgte, dass nach dem 31. Juli 1993 Heerscharen von Reportern in seine beschauliche Heimatstadt in der Region einfielen, Einwohner nach dem Paar ausfragten. Viel heraus bekamen sie nicht, nur wenige kannten die Familie persönlich, die sich ohnehin die meiste Zeit in ihrem Haus bei Brüssel aufgehalten hatte. Sein Abitur hatte "Topas", Jahrgang 1945, in der Region gemacht, später in Mainz, Brüssel und Bonn studiert, den Kontakt in die alte Heimat aber nie abreißen lassen. Über Details aus seinem filmreifen Leben, darüber etwa, wie ihm zu Studentenzeiten in Mainz ein gewisser "Kurt" in der Kneipe die Rechnung bezahlte, ihn in politische Gespräche verwickelte und wenig später für die Spionage der DDR anwarb, möchte "Topas" heute nicht mehr reden. Zu politischen Fragen, ja, da würde er sich äußern, sagt der Ex-Spion, aber nicht mehr zu seiner persönlichen Geschichte. Die ist zugleich die Geschichte seiner Frau. "Türkis", diesen Decknamen gaben ihr die Ost-Führungsoffiziere, ein Edelstein wie "Topas". Dass die beiden Spione für ihre Auftraggeber tatsächlich Edelsteine wurden, lag an ihrer exzellenten Arbeit, die direkt an einer der empfindlichsten Stellen des westlichen Bündnisses ansetzte: Beide waren im Nato-Hauptquartier in Brüssel beschäftigt. Und beide sorgten dafür, dass Stasi und KGB über Jahre hinweg beste Kenntnis streng geheimer Nato-Planungen hatten. Von 1977 bis 1989 kopierten sie - mit Spionagegerät und -wissen von DDR-Experten ausgerüstet - bergeweise Akten, die im Falle eines militärischen Aufeinandertreffens der beiden Blöcke "verheerend und kriegsentscheidend" gewesen wären, wie ein Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf 1994 kommentierte. "Landesverrat" urteilte das Gericht und schickte "Topas" zwölf Jahre in Haft. Seine Frau bekam 22 Monate auf Bewährung.Immer wieder im Blick der Öffentlichkeit

Nur einige Jahre verschwand der Agent im Gefängnis und damit aus dem Blick der Öffentlichkeit, bis sich 1998 Schriftsteller wie Martin Walser beim Bundespräsidenten für seine Begnadigung einsetzten. Wenig später war "Topas" wieder in den Schlagzeilen, weil die PDS-Bundestagsfraktion ihm - als Freigänger - eine Mitarbeiter-Stelle angeboten hatte. Das wiederum löste einen Sturm der Entrüstung bei den bürgerlichen Parteien aus. "Topas" sagte darauf dankend ab. Noch vor zwei Jahren ließ er sich, inzwischen vorzeitig entlassen, von der ARD für die Dokumentation filmen und befragen. Doch heute will er sein Privatleben schützen. Der Agent in ihm lebt endgültig im Ruhestand, auch wenn "Topas" betont, er verstecke sich nicht vor seiner Geschichte, stehe aus der damaligen Situation heraus hinter dem, was er getan habe. Man solle heute nicht so tun, als habe es den Kalten Krieg nicht gegeben, als wären alle Chorknaben gewesen, sagt "Topas" - auf beiden Seiten. Weitere Kommentare gibt er nicht. "Immer die selben Fragen. Das müssen Sie verstehen."

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