Spürnasen im Arbeitseifer

Akten wälzen, Infos auswerten, stundenlang Zeugen befragen: Die Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss zur Nürburgring-Affäre bedeutet für die Landtagsabgeordneten eine enorme Arbeitsbelastung.

 Alexander Licht. Foto: privat

Alexander Licht. Foto: privat

Mainz. Ein Untersuchungsausschuss gilt als schärfstes Schwert der parlamentarischen Kontrolle. In fast allen Bundesländern und im Bund versucht die jeweilige Opposition, der Regierung fehlerhaftes Verhalten nachzuweisen und anzukreiden.

Ein so umfangreiches Kontrollgremium wie zu den Vorfällen an der Eifel-Rennstrecke hat es im Land nach allgemeiner Einschätzung noch nie gegeben. Die Aktenflut ist gewaltig: Mehr als 2500 Ordner wollen durchforstet werden.

Seit Oktober 2009 hat der U-Ausschuss in 20 Sitzungen insgesamt 81 Zeugen vernommen, etliche davon doppelt. Das bedeutet für die Abgeordneten: Zweimal im Monat montags oder freitags, wenn das Gremium acht bis zehn Stunden tagt, bleibt im ohnehin vollen Kalender für andere Dinge keine Zeit mehr. "Da bleibt Arbeit liegen. Man kann ja nicht mal telefonieren", erzählt Sozialdemokratin Astrid Schmitt aus Daun. Sie hat mittlerweile fast zwei Meter eigene Akten, bestehend aus Protokollen der Sitzungen und Presseberichten.

Schmitt hat noch ein spezielles Problem: Wenn es um neun Uhr in Mainz losgeht, muss sie um fünf Uhr aufstehen und um sechs Uhr daheim losfahren. Aufgrund der schlechten Zugverbindungen ist sie auf das Auto angewiesen. "Abends nach der Rückkehr ist man platt."

Vor den Zeugenbefragungen steht das Aktenstudium. Das meiste lesen der jeweilige Mitarbeiter des Abgeordneten und die Fraktionsmitarbeiter, die Zusammenfassung dann die Politiker. CDU-Mann Alexander Licht aus Brauneberg hat zahllose Akten selbst studiert.

"Vier bis sechs Stunden pro Woche habe ich anfangs gelesen", erzählt er. Die komplexen Zusammenhänge bei der gescheiterten Privatfinanzierung des Freizeit- und Geschäftszentrums am Ring hätten immer wieder Fragen aufgeworfen, die man durch Gespräche mit Experten beantworten müsse. "Was ist zum Beispiel eine Swift? Das musste ich mir von Bankern erklären lassen."

Nach dem Wälzen der Dokumente besprechen die Abgeordneten die Erkenntnisse im Arbeitskreis ihrer Fraktion. "Was wollen wir im Ausschuss von den Zeugen wissen? Was ist generell zu klären? Das muss festgelegt werden", berichtet Astrid Schmitt. CDU-Kollege Alexander Licht ergänzt: "In diesen Sitzungen werden auch Anträge für den Landtag diskutiert." Häufig gingen Hinweise aus der Bevölkerung ein, die man ebenfalls prüfen müsse.

Beide Politiker ziehen ein einhelliges Fazit: Die Arbeitsbelastung durch den U-Ausschuss ist enorm, viele Termine in der Heimat können nicht wahrgenommen werden, andere politische Inhalte und Projekte müssen zwangsläufig vernachlässigt werden, der Wahlkreis und die Familie leiden. "Ich kriege oft zu hören: Wo bist du denn, man sieht dich gar nicht mehr", sagt Licht.

Trotz des Stresses und unabhängig von ihrer politischen Couleur sind sich die Eifelerin und der Moselaner einig, dass der U-Ausschuss auch bereichert. "Durch die regionalen Bezüge ist das alles sehr spannend für mich", sagt Astrid Schmitt. "Ich habe viel gelernt", meint Alexander Licht.

Nach den Sommerferien geht die Arbeit weiter. Dann befasst sich der Ausschuss mit den enorm gestiegenen Baukosten von 330 Millionen Euro und durchforstet unter anderem Ausschreibungsunterlagen.

Extra Die exemplarische Woche eines Landtagsabgeordneten: Montag: Wahlkreistag. Büroarbeit, Termine, Kreisausschüsse, Parteigremien. Seit Oktober zusätzlich: U-Ausschuss Nürburgring. Dienstag: Arbeitskreise und Ausschüsse in Mainz. Mittwoch: Fraktionssitzungen und Arbeitskreise in Mainz. Einmal monatlich Landtag. Donnerstag: Ausschüsse in Mainz. Einmal monatlich Landtag. Freitag: Wahlkreistag. Mitunter Landtag. Seit Oktober zusätzlich: U-Ausschuss Nürburgring. Samstag/Sonntag: Veranstaltungen, Feste, Ausstellungseröffnungen, Bearbeitung der Anfragen von Bürgern. Aufwandsentschädigung: Die Landtagsabgeordneten bekommen für ihre Arbeit steuerfrei 1200 Euro monatlich für ein Büro plus eine normale Diät von rund 5800 Euro. (fcg)

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