Staatsoberhäupter sind für Spione tabu: Bundesregierung legt Reform des BND-Gesetzes vor

Berlin · Der Bundesnachrichtendienst gilt vielen als unkontrollierbar. Das will die Bundesregierung nun ändern - eine unabhängige Kommission aus hohen Richtern soll die Kontrolle verbessern.

Nach monatelangen Verhandlungen innerhalb der großen Koalition hat die Bundesregierung am Dienstag die Reform des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf den Weg gebracht. Mit dem 75seitigen Gesetz soll geregelt werden, was deutsche Auslandsspione künftig dürfen und was nicht. Und wie sie kontrolliert werden sollen.

Weshalb werden die Befugnisse des BND neu festgelegt?
Vor drei Jahren sorgten die Enthüllungen des NSA-Mitarbeiters Edward Snowden für Aufsehen. Demnach sammelte der US-Geheimdienst massenhaft Kommunikationsdaten in Deutschland und hörte sogar die Bundeskanzlerin ab. Und zwar mit Hilfe des BND über die Abhörstation in Bad Aibling. Dann wurde bekannt, dass der BND selbst befreundete Regierungen ausspioniert hatte. BND-Chef Schindler wird deshalb ab Juli in den Ruhestand versetzt. Die Reform ist die Konsequenz aus den Vorgängen.

Was darf der BND künftig in befreundeten EU-Staaten?
Laut Entwurf des "Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes", der unserer Redaktion vorliegt, darf der BND künftig dann eine "gezielte Erfassung" unter anderem von Einrichtungen der EU und öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedsstaaten vornehmen, wenn die Bundesregierung zustimmt - oder zumindest das Kanzleramt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und den Ministerien für Inneres, Verteidigung und Wirtschaft.
Zudem muss es um ganz bestimmte Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik gehen. Gemeint sind damit ein terroristischer Anschlag, der Kampf gegen Schleuserbanden und organisierte Kriminalität oder die Verhinderung von Cyberangriffen.

Wie soll der Dienst konkret an seine Erkenntnisse gelangen können?
Durch Datenerhebung "anhand von Suchbegriffen", zum Beispiel einer E-Mail-Adresse. Dafür benötigt der BND gegebenenfalls Hilfe von Telekommunikationsunternehmen. Sie können verpflichtet werden, Daten auszuhändigen. Die Speicherdauer beträgt höchstens sechs Monate, eine längere Speicherung setzt eine Prüfung im Einzelfall voraus. Außerdem darf der BND auch Daten mit anderen Diensten austauschen - wenn die Gefahrenabwehr ansonsten "wesentlich erschwert oder unmöglich" ist.

Was wird dem BND explizit untersagt?
Im Inland ist für ihn die Überwachung der Telekommunikation deutscher Staatsbürger wie auch aller anderen "sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen" unzulässig. Zugleich darf der BND keinesfalls die Kommunikation von Staatsoberhäuptern überwachen, mit denen Deutschland enge Beziehungen unterhält. Und: Wirtschaftsspionage ist laut Entwurf im In- und Ausland tabu. Das ist einer der Unterschiede zur Arbeit anderer Geheimdienste wie der Russlands und Chinas. Darüber hinaus darf er nicht bei anderen Diensten eine Datenerfassung veranlassen, wenn er sie selbst nicht tätigen darf.

Wie wird die Kontrolle des BND geregelt?
Die bislang zuständigen Instanzen, die sogenannte G-10-Kommission (benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes, Fernmeldegeheimnis) und das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr), werden um ein "Unabhängiges Richtergremium" ergänzt. Es soll mindestens alle drei Monate geheim beraten. In ihm sitzen zwei Richter des Bundesgerichtshofs und ein Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Juristen "mit Erfahrung in Strafsachen" werden vom Kanzleramt über die Anordnungen zur Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland informiert. Das Richtergremium darf "stichprobenartig" kontrollieren, ob der Nachrichtendienst gesetzliche Vorgaben einhält - oder nicht. Alle sechs Monate soll es zudem dem PKGr Bericht erstatten.

Gibt es Kritik an den neuen Regelungen?
Obwohl es in keinem anderen Land ein ähnliches Gesetz gibt, sind Grüne und Linke unzufrieden.
So glaubt die Linke nicht, dass die Mitglieder des neuen Richtergremiums unabhängig vom Kanzleramt tätig werden können. Die Grünen bemängeln, dass die bisher umstrittenen BND-Praktiken lediglich legalisiert würden.Meinung

Keine KettenBei der Reform des BND-Gesetzes musste die Bundesregierung zum Jagen getragen werden. Die NSA-Affäre und die Verquickung des BND hat die Regierung nicht handeln lassen. Diesen Skandal hätte man am liebsten ausgesessen. Sondern es war der Druck der Opposition und der SPD. Jetzt liegt also ein Gesetzentwurf vor, der an wesentlichen Stellschrauben dreht. Es werden erhebliche rechtliche Klarstellungen für die Aktivitäten des Auslandsgeheimdienstes vorgenommen. Die Spione finden das alles andere als schön, wie zu hören ist. Wen wundert es. Sie fürchten eine Bürokratisierung ihrer Arbeit. Außerdem geht die Sorge um, von den Partnerdiensten nur noch belächelt zu werden. Wahr ist aber: Nach der NSA-Affäre war die Reform unumgänglich. Das Eigenleben des BND musste beendet werden. Jetzt sind die Regeln eindeutiger und die Verantwortlichkeiten klarer. Der BND wird künftig zielgenauer arbeiten müssen. Gut so. Das gilt auch für das Ausspähen von Freunden, das es laut Angela Merkel eigentlich nicht geben dürfte: Wenn es die Gefahrenlage notwendig macht, bleibt auch diese Möglichkeit bestehen. An Ketten werden die Spione also nicht gelegt. Bleibt die Frage der Kontrolle. Effektiv kann ein Dienst nur arbeiten, wenn nicht alles an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Deswegen gibt es die parlamentarische Überwachung des BND, die die Bundesregierung nun um ein Gremium ergänzt. Ob das geplante Richter-Gremium allerdings mehr Informationen zu sehen bekommt, als das Parlamentarische Kontrollgremium, ob es auch effektiv Einfluss nehmen kann, muss sich erst erweisen. Schaut man auf den Umgang der Regierung mit der NSA-Affäre, ist Skepsis angebracht. nachrichten.red@volksfreund.de

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