Stabiler Standort, gute Cocktails

Luxemburg · Mehrere Finanzdienstleister wechseln ins Großherzogtum. Wie Luxemburg vom Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union profitiert.

Luxemburg Der Brexit wirbelt die Finanzmärkte ganz schön durcheinander. Welche Folgen der Austritt Großbritanniens aus der EU langfristig haben wird, ist noch nicht absehbar. Fest steht nur jetzt schon, dass Standorte wie Frankfurt, Paris oder Dublin um Banken, Versicherer und Finanzinvestoren, aber auch um deren Mitarbeiter und Führungskräfte buhlen. Auch Luxemburg, führendes Zentrum im Privatkundengeschäft in der Eurozone und das zweitgrößte Investmentfondszentrum weltweit, hat ein gehöriges Wörtchen mitzureden.
Mehrere Finanzinvestoren wie der US-amerikanische Versicherer American International Group (AIG), die Carlyle Group, eine der größten privaten Beteiligungsgesellschaften weltweit, und die US-Investmentgesellschaft Blackstone haben immerhin bereits angekündigt, wegen des Brexit Europaniederlassungen in Luxemburg zu eröffnen. Ein Grund dafür: "Luxemburg bietet Sicherheit in einer stabilen Wirtschaft mit einer erfahrenen Aufsichtsbehörde", lässt AIG mit weltweit 66 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von umgerechnet rund 54 Milliarden Euro mitteilen. In London sind dagegen schon einige der 2000 Stellen gekürzt worden.
Bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Großherzogtum ist man sogar zuversichtlich, dass ein Ausbau des Güter- und Dienstleistungsverkehrs mit Großbritannien möglich sei. "Die Briten werden einen Platz in Europa brauchen, um ihre Leistungen weiterhin hier anbieten zu können", sagt etwa Georges Boch, Leiter der KPMG-Steuerabteilung. Und da könne Luxemburg "sogar als Gewinner aus dem Brexit hervorgehen".
Das Luxemburger Statistikamt Statec und die Ratingagentur Standard&Poors (S&P) sind dagegen vorsichtiger. Das Statec rechnet vorerst mit einem Rückzug von Finanzdienstleistungen nach London und einem Umsatzrückgang im Finanzsektor von zwei Prozent.
Mittelfristig und ohne einen weiteren Zugang Großbritanniens zum Binnenmarkt würden Investmentfonds und Vermögensverwaltung allerdings ausgebaut. S&P, die wie die übrigen bekannten Ratingagenturen Fitch oder Moody's Luxemburg erneut mit der bestmöglichen Leistung, dem sogenannten Triple A, ausgezeichnet hat, sagt bis 2020 für Luxemburg ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von etwa 3,4 Prozent voraus, die Auswirkungen des Brexit bewertet S&P als gering. Doch nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch ihre Banker werden womöglich ihren Standort verlagern müssen. Die europäische Online-Plattform für Umzüge, Movinga, hat nun in einer Studie festgestellt, dass die irische Hauptstadt Dublin am attraktivsten für Banker nach dem Brexit ist. "Es wird oft prophezeit, dass Paris und Frankfurt zu den neuen Finanzzentren Europas werden", sagt Movinga-Geschäftsführer Finn Hänsel. "Andere Städte wie Dublin, Valetta, Luxemburg oder Amsterdam haben allerdings deutlich mehr zu bieten, gerade wenn es darum geht, wo Mitarbeiter sich wohl fühlen." Demnach rangiert Luxemburg in Europa auf Rang vier der besten Lebensbedingungen.
Die Studie vergleicht die Städte etwa hinsichtlich der durchschnittlichen Mieten für luxuriöse Wohnungen. Mit eingeflossen sind auch die Kosten für Reinigungskräfte und Cocktails, sowie für ein paar andere Sachen, die man sich als Banker wohl so leistet - wie Restaurants mit Michelin-Stern und Luxus-Fitnessstudios.SCHOTTISCHES PARLAMENT FüR VOLKSABSTIMMUNG

Extra

(dpa) Nur einen Tag vor der EU-Austrittserklärung hat das schottische Parlament am Dienstag einer erneuten Volksabstimmung zur Trennung von Großbritannien zugestimmt. Mit einer Mehrheit von 69 zu 59 Stimmen erteilten die Abgeordneten in Edinburgh Regierungschefin Nicola Sturgeon das Mandat für die Verhandlungen mit London. Die Abstimmung war ursprünglich in der vergangenen Woche geplant. Sie wurde aber wegen des Terroranschlags in London verschoben. Sturgeon will ihre Landsleute zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 über die Abspaltung von Großbritannien abstimmen lassen - also noch vor dem Brexit. Dafür braucht sie noch die Zustimmung aus London. Die britische Premierministerin Theresa May lehnt den Zeitplan ab.

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