Standpunkt: Darf der das?

Trier · Erst löste Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Warnung vor einem rot-rot-grünen Bündnis in Thüringen unter Führung der Linkspartei eine riesige Debatte aus (darf der das?), jetzt trat Wolf Biermann den Linken kräftig auf die Füße.

Der Liedermacher und Provokateur, der 1976 wegen systemkritischer Berichte von der SED aus der DDR ausgebürgert worden war, beschimpfte am Freitag bei einem Gastauftritt im Parlament die Linke als ,,Reste der Drachenbrut". Anlass war eine Gedenkstunde im Parlament zum Jubiläum des Mauerfalls. Eine solche Attacke hatte die Linke bereits im Vorfeld gefürchtet und Parlamentspräsident Norbert Lammert ermahnt, das Gelingen der Feier nicht zu gefährden. Ach herrje.

Der Mauerfall ist das größte historische Ereignis der jüngeren deutschen Vergangenheit, das vor allem durch die vielen individuellen Erlebnisse und die Emotionen, die es auch heute noch auslöst, ein Gesicht bekommt. Schließlich hat es einer Revolution bedurft, gottlob einer friedlichen, um die deutsche Teilung zu überwinden. Da war Aufbruch, da war Angst, da war Wut, da war Glück, da war Enttäuschung, da war Rührung - alles beieinander.

Die Würdigung der Ereignisse im Parlament kann auch 25 Jahre danach nicht in stocksteife Gleichschaltung der Gesten und Ansichten münden. Die Meinungsfreiheit in Gesamtdeutschland ist die wichtigste Errungenschaft nach dem Sturz der DDR-Diktatur. Sie gilt in unserer Demokratie für alle, überall und zu jedem Zeitpunkt. Für den Bundespräsidenten ebenso wie für Vertreter der Linkspartei oder deren Kritiker. Daran in erster Linie hat sich wahre Angemessenheit zu orientieren. Das ist gestern eindrucksvoll bewiesen worden.

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