Start frei
BERLIN. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung gab sich gestern alle Mühe, die Bedenken der Opposition über eine Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan zu zerstreuen.
"Ohne Sicherheit kein Wiederaufbau und ohne Wiederaufbau keine Sicherheit", philosophierte der CDU-Politiker. Die Mission bringe dreifachen Schutz: für die deutschen und ihre verbündeten Truppen, für die Zivilbevölkerung und für die internationalen Wiederaufbauteams. Zuvor hatte das Bundeskabinett eine entsprechende Ausweitung des Isaf-Mandats für die Bundeswehr beschlossen. Vorbehaltlich der Zustimmung im Bundestag sollen sechs Tornados und weitere 500 Bundeswehrsoldaten im nordafghanischen Masar-i-Scharif stationiert werden. Gegenwärtig sind 2900 deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Es ist das drittgrößte Kontingent nach den USA und Großbritannien. Der Aktionsradius der Tornados umfasst das gesamte Land, auch den besonders umkämpften Süden und Osten. Damit will Deutschland auf Bitten der Nato eine Aufklärungslücke schließen. Die Maschinen können brillante Fotos aus großer Höhe liefern. Dabei geht es vor allem um die Ortung von Taliban-Stellungen. Die Daten dienen den Nato-Verbündeten für ihre Angriffe. Unter Auflagen kann das Material auch an Kampftruppen der Anti-Terror-Mission "Enduring freedom" weitergegeben werden. Zur Selbstverteidigung verfügen die Maschinen über Bordkanonen, Täuschkörper und Täuschsender. Angriffe durch deutsche Piloten auf feindliche Stellungen sind ausgeschlossen. Der frühere Luftwaffengeneral Hermann Hagena geht davon aus, dass die Piloten notfalls auch in Gefechte am Boden eingreifen können. Kritiker befürchten, dass der deutsche Afghanistan-Einsatz mit den Tornados eine "neue Qualität" bekommt. Technisch betrachtet können Tornados auch mit Raketen und Marschflugkörpern bestückt werden. Verteidigungsminister Jung versicherte, dass es sich nicht um einen Kampfeinsatz handele. Mit der befristeten Maßnahme solle der angekündigten Frühjahrsoffensive durch die Taliban begegnet werden. Jungs Einschätzung ist im Regierungslager umstritten. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach sehr wohl von einem "Kampfeinsatz". Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verwies darauf, dass die Tornados zum Ziel von tragbaren Raketen der Taliban werden könnten, was einen Gegenschlag etwa mit Bordkanonen zur Folge hätte. Er halte dieses Risiko aber für "verantwortbar", betonte Schneiderhan. Für die im kommenden Monat geplante Parlamentsentscheidung haben SPD und Union den Fraktionszwang aufgehoben. Ursprünglich sollten die Abgeordneten gar nicht über den Tornado-Einsatz bestimmen, was jedoch zu massiven Protesten besonders in der SPD-Fraktion führte. An der mehrheitlichen Billigung des Beschlusses gibt es jedoch kaum Zweifel. Nur die Linksfraktion hat klar Ablehnung signalisiert. Bei Liberalen und Grünen herrscht Unklarheit über das Abstimmungsverhalten. Nur für den Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele steht fest, dass er eine "Beteiligung am schmutzigen Krieg der Amerikaner" nicht mittragen werde.