Steuerreform: Von Stilfragen und dem Privatvergnügen fleißiger Leute

Berlin. Die CDU-Spitze hat das Steuerkonzept ihres Finanzexperten Friedrich Merz im Grundsatz gebilligt. Bundesvorstand und Präsidium verständigten sich aber auf leichte Nachbesserungen.

Am kommenden Freitag entscheidet der Bundesrat über das Vorziehen der Steuerreform auf den 1. Januar 2004. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hat die Union am Montag alle Hoffnungen gedämpft, womöglich doch noch der rot-grünen Steuerentlastung über die Hürden zu helfen. Dazu bedürfe es einer neuen "Beratungsgrundlage", sagte CDU-Chefin Angela Merkel nach einer Vorstandssitzung in Berlin. Da diese aber fehle, seien Gespräche mit der Bundesregierung "im Augenblick" nicht sinnvoll. Merkel spielte auf die merkwürdige Einladung an, die Bundeskanzler Gerhard Schröder der Union am Wochenende per Fernseh-Interview hatte zukommen lassen, und die Regierungssprecher Bela Anda am Montag ungeachtet der Stilfrage noch einmal ausdrücklich bestätigte. Vergebliche Liebesmüh'

Es war aber vergebliche Liebesmüh', hat die Union doch kein Interesse an Konsens-Gesprächen, und zwar aus mehreren Gründen: Einmal will sie der Regierung nicht aus der Patsche helfen, sondern diese vielmehr weiter in die Enge treiben. Zum zweiten sind sich die Provinzfürsten der Union, deren Länderhaushalte von Steuer-Mindereinnahmen betroffen wären, selbst noch unschlüssig. Und drittens sind CDU und CSU momentan mit dem radikalen Steuerkonzept ihres Finanzexperten Friedrich Merz beschäftigt. Im Vorfeld hatte es, neben vielen positiven Stimmen, auch ordentlich Kritik an dem Merz-Modell gegeben. Vor allem die Schwesterpartei CSU und der Arbeitnehmerflügel CDA hatten Bedenken angemeldet und indirekt eine soziale Schieflage moniert. Saar-Ministerpräsident Peter Müller und CDA-Chef Hermann-Josef Arentz artikulierten dies am Montag auch im Vorstand. Müller hatte insbesondere Probleme mit dem Merz'schen Stufentarif (12, 24 und 36 Prozent Steuerlast), dem niedrigen Spitzensteuersatz ab 40 000 Euro Einkommen und der Vereinbarkeit des Steuermodells mit den CDU-Vorstellungen zur Gesundheitsreform (Herzog-Konzept). Arentz verband seine Kritik am Wegfall der Pendlerpauschale mit dem Hinweis, der Weg zum Arbeitsplatz sei "kein Privatvergnügen". Es könne nicht Sinn einer Steuerreform sein, fleißige Leute zu bestrafen. Auch wurde moniert, dass Merz sich auf die Erläuterung seiner "Zehn Leitsätze für ein modernes Einkommensteuerrecht" beschränkt, auf die Präsentation konkreter Rechenbeispiele aber verzichtet habe. Gleichwohl überwogen die Urteile "richtig", "mutig" und "wegweisend" bei weitem. Deshalb fiel es Merkel auch nicht schwer, das Konzept ihres Kontrahenten Merz großzügig als "Meilenstein" und "Befreiungsschlag" zu werten. In diesem Geiste solle auch die Steuerdiskussion auf dem Bundesparteitag der CDU Anfang Dezember in Dresden geführt werden. Änderungsanträge zu dem Merz-Plan, die "natürlich" möglich seien, müssten bis eine Woche vor dem Parteitag eingereicht werden, sagte Merkel. Merz selbst rechnet allerdings nicht damit, dass an seinem Konzept noch grundlegende Änderungen vorgenommen werden. Etwas wippelig hatte er am Montag bei der Pressekonferenz neben Merkel gestanden und seinen "Grund zur großen Freude" zu Protokoll gegeben. Souverän überging er dabei die Tatsache, dass bereits die erste Nachbesserung fällig und (auf Wunsch der CDA) ein zusätzlicher Arbeitnehmerfreibetrag von 1000 Euro aufgenommen wurde. Damit solle der Wegfall "sonstiger Vergünstigungen und Freibeträge" ausgeglichen werden, sagte Merz, der diese Regelung als "vernünftigen Weg" beschrieb. Wie vernünftig und realistisch das Konzept tatsächlich ist, wird sich noch zeigen. Nicht nur CDU-Vize Christoph Böhr hat Bedenken, ob die Freibeträge (8000 plus die genannten 1000 Euro) ausreichen werden, um den erforderlichen Anreiz zur Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich zu gewährleisten. Auch der Heidelberger Steuerexperte Prof. Paul Kirchhof, der das Merz-Konzept "gegengelesen" hat, ist dem Vernehmen nach diesbezüglich skeptisch. Spannend wird in jedem Fall das Ansinnen der CDU-Spitze, das Merz-Modell womöglich als taktisches Element in die Verhandlungen mit der A-Seite (SPD-geführte Länder) im Vermittlungsausschuss einzubringen. Motto: Wenn wir der vorgezogenen Steuerreform auf Pump zustimmen sollen, müsst Ihr uns ein Signal zur radikalen Vereinfachung des Steuerrechts geben. Denn bei etwas gutem Willen, so Merz vor der Presse, könne sein Modell bereits zum 1. Januar 2005 umgesetzt werden.

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