Störfall zwischen Bund und Ländern

BERLIN. Nachwehen des AKW-Störfalls in Schweden: Die Frage, wie sicher die deutschen Atommeiler sind, sorgt für Streit zwischen Umweltminister Sigmar Gabriel und den Landesministern.

Eine gewisse Dramatik fehlte dem Auftritt des Bundesumweltministers gestern nicht. Erstens hatte Sigmar Gabriel extra seinen Sommerurlaub unterbrochen, um über die Folgen des Störfalls im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark und die Sicherheit der deutschen Atommeiler zu berichten. Zweitens offenbarte die Pressekonferenz des schwergewichtigen SPD-Mannes, dass ausgerechnet in diesen heiklen Fragen das Verhältnis von Bund und Ländern erheblich getrübt ist."Nicht eins zu eins übertragbar"

Nein, der Störfall im Atomkraftwerk Forsmark ist nach Ansicht Gabriels nicht "eins zu eins" auf die deutschen Meiler übertragbar, weil hier zu Lande eine andere Technik genutzt wird. Zur Erinnerung: Am 25. Juli war Block 1 des Kernkraftwerks durch einen Kurzschluss vom äußeren Stromnetz getrennt und der Reaktor abgeschaltet worden. Wegen Strommangels fiel daraufhin ein Teil der Kraftwerkssteuerung aus. Von vier Notstromdieseln sprangen nur zwei automatisch an. "Wichtige Sicherheitsparameter", erläuterte Gabriel, "konnten von den Mitarbeitern nicht mehr verfolgt werden." Auch gab es Probleme bei der Notkühlung. Nach dem Vorfall in Schweden müsse daher jetzt prinzipiell geklärt werden, ob die Sicherheitssysteme in den 17 deutschen Atommeilern bei Kurzschluss oder Blitzeinschlag ganz oder teilweise ausfallen könnten, meinte der Minister. Wegen der anderen Technik bei der Notstromversorgung deutscher Kernkraftwerke seien kurzfristige Abschaltungen aber nicht erforderlich. Das Fachliche ist damit geklärt oder zumindest angesprochen. Für Streit zwischen Bund und Ländern sorgt jetzt die Frage der Kompetenzen. Ultimativ waren die Betreiberländer Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen von Gabriel zur Sicherheitsprüfung der deutschen AKW und zur Vorlage der Ergebnisse bis vergangenen Dienstag aufgefordert worden. Seit dem Prüfbefehl herrscht besonders gereizte Stimmung zwischen dem SPD-Minister und seinen Länderkollegen. Beispiel Niedersachsen: Der zuständige Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) begegnete Gabriels öffentlichkeitswirksamer Aufforderung prompt mit Kritik an dessen Informationspolitik. Der Bundesminister wiederum, einst niedersächsischer Ministerpräsident, schoss gestern eine Breitseite zurück: Niedersachsen habe sich bei der Prüfung der Sicherheit der drei laufenden Atommeiler lediglich der Auffassung der Kraftwerksbetreiber angeschlossen. "Suboptimal" sei dies, bemängelte Gabriel. Bayern, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein hätten zusätzlich Gutachten erstellen lassen. Starker Tobak, denn indirekt unterstellt Gabriel damit Niedersachsen, sich gutgläubig vor den Karren der Betreiber spannen zu lassen. Vorwürfe, die auch aus den anderen Ländern kamen, er habe Erkenntnisse zu spät weitergeleitet, "entbehrten jeglicher Grundlage". "Die Normalität ist das Problem"

Der Umstand, dass es nach wie vor Stimmen aus den Unionsländern gibt, die den rot-grünen Atomausstieg rückgängig machen wollen, verschärft dabei den Konflikt zwischen Bund und Ländern. Der schwedische Störfall gehöre zum Normalfall der Nutzung der Kernenergie, kontert Gabriel. "Leider ist die Normalität das Problem." Er habe daher kein Verständnis für den Wunsch nach längeren Laufzeiten für ältere Reaktoren. Außerdem verlangt Gabriel nun innerhalb der nächsten sechs Monate eine detaillierte Sicherheitsanalyse durch die Länder oder durch externe Gutachter. Und: Die internationale Atomenergiebehörde (IAEO) soll prüfen, ob die Atomaufsicht der Länder internationalen Standards genügt. "Reserviert", berichtet Gabriel, hätten die Länder darauf reagiert. Man kann auch sagen: äußerst verärgert.

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