Stoibers Rückzieher

Die CSU ist eine starke, im Volk verwurzelte Partei, die einigen Grund zum Stolz hat. Kein Konkurrent versteht es besser, das wärmende Wir-Gefühl zu erzeugen, das Menschen an eine politische Idee bindet.

Nicht umsonst regiert die CSU in Bayern seit Jahrzehnten unangefochten, allen Verfilzungen, Strauß-Eskapaden und Stoiber-Stolperern zum Trotz. Am traditionellen Aschermittwoch wurde abermals deutlich, dass die Partei nichts von ihrer Faszination verloren hat. Nur ihr Vorsitzender hat etwas eingebüßt: Glaubwürdigkeit. Die Bundesregierung ist an allem schuld? Rot-Grün trägt nicht nur die alleinige Verantwortung für Staatsverschuldung und Rekord-Arbeitslosigkeit, sondern maßgeblich für das Erstarken der rechtsextremen NPD? Nun kann die Koalition ihre Hände wahrlich nicht in Unschuld waschen. Aber jeder vernünftige Mensch weiß, dass sich maßlose Übertreibungen in ihr Gegenteil verkehren können. Dass der Holzhammer zum Bumerang werden kann. Gewiss wollen die Leute deftige Kost, zumal am bierseligen Stammtisch. Doch auch der CSU-Chef sollte wissen, dass er ernster genommen wird, wenn er seine Attacken mit inhaltlicher Substanz ausstattet. Interessant, dass Stoiber seine ursprüngliche Kritik am Mittwoch abgeschwächt hat. Keine Asche aufs Haupt, aber ein kleiner Rückzieher. Dennoch, der Schaden ist angerichtet, wie das Presse-Echo der vergangenen Tage zeigt. Ob er deshalb in Passau den Entlastungsangriff gestartet hat und, in seltener Eintracht mit Rot-Grün und Gewerkschaften, die Deutsche Bank aufs Korn nahm? Jedenfalls ist die heftige Kritik am größten deutschen Geldhaus jetzt flächendeckend. Fragt sich nur, ob das den Ackermännern der Republik auch zu denken gibt. Auf jeden Fall hat Stoiber es der Bundesregierung leichter gemacht, als sie dies verdient. Bundeskanzler Schröder konnte sich bei seinem Aschermittwochsauftritt als souveräner Staatsmann präsentieren, der den demokratischen Konsens beschwört und die Verantwortung der gesellschaftlichen Kräfte reklamiert. Schon deshalb war Stoibers Grob-Methode ein taktischer Fehler. Seine berechtigte Kritik am rot-grünen Unvermögen, das Steuer herumzureißen, ging unter. Zudem hat sich der CSU-Vorsitzende selbst geschadet: Konkurrentin Angela Merkel reagierte eindeutig geschickter und vermied unnötige Provokationen. Ihr fortwährendes Bemühen, mehr mit dem Kopf als mit dem Bauch zu arbeiten, ist klar erkennbar. Fazit: Die Demokraten sollten aufhören, mit ihrem internen Gezänk die NPD aufzuwerten. Sie sollten ihre Energie in die Lösung der Arbeitsmarktfrage stecken, Vorschläge machen, Ideen produzieren. Sie sollten ihrer ewigen Propaganda auch Taten folgen lassen, endlich ein glasklares Steuerrecht schaffen, im Interesse des Staates wirken, wie es ihre vornehmste Pflicht ist. Der Aschermittwochs-Klamauk mit seinem Beschimpfungs-Ritual ist vorbei. Niemand hindert die Opposition jetzt daran, die Chancen zu nutzen, die ihr die Koalition mit ihren offenen Flanken bietet. Aber das funktioniert nicht mit hanebüchenen Vorwürfen, sondern nur mit klugen Analysen und durchdachten Vorschlägen. nachrichten.red@volksfreund.de

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