Strahlenfreie grüne Wiesen

Mülheim-Kärlich · In Deutschland sind bereits vier Kernkraftwerke zurückgebaut worden. Mehr als zehn Blöcke - darunter auch Forschungsreaktoren - befinden sich derzeit im Rückbau. Der TV erklärt, was dabei passiert.

Mülheim-Kärlich. "Wenn wir fertig sind, soll hier letztendlich wieder eine grüne Wiese stehen", sagt Walter Hackel. Der Leiter des Atomkraftwerks (AKW) Mülheim-Kärlich erklärt, wie die Zerlegung einer kerntechnischen Anlage funktioniert. Ziel eines Rückbaus sei es, das Gelände am Ende so zu verlassen, dass es anschließend wieder genutzt werden könne. Dabei kommt es besonders darauf an, die Radioaktivität vollständig zu beseitigen.
"Ich vergleiche den Rückbau eines Kernkraftwerks immer mit dem Ausschlachten eines Autos", sagt Hackel. In einem ersten Schritt werden alle Gefahrstoffe entfernt, die Brennelemente aus dem Kraftwerk zur Wiederaufbereitung gebracht. Danach werden betrieblich angefallene radioaktive Abfälle abtransportiert. Bevor der eigentliche Rückbau beginnt, ist die Radioaktivität im AKW Mülheim-Kärlich auf diese Weise bereits auf weniger als ein Prozent der ursprünglichen Menge verringert.
"Anschließend nimmt man die Lampen, Sitze, das Radio und alle anderen Teile aus dem Fahrzeug, die man noch verwenden kann", sagt Hackel. Bei einem Kernkraftwerk handelt es sich dabei um technische Einbauten wie Rohrleitungen, Kabelstränge, Pumpen und Motoren, aber auch um Baustoffe wie Stahl und Beton. Radioaktiv verunreinigt ist lediglich Material aus dem Primärkreislauf eines AKW, also Gegenstände, die sich im Reaktorgebäude befinden. Material aus dem Sekundärkreislauf, zu dem etwa das Maschinenhaus gehört, sind hingegen unbedenklich (siehe Grafik).
Während die Mitarbeiter in Mülheim-Kärlich funktionstüchtige Maschinen aus dem Primärkreislauf komplett ausbauen, zerlegen sie Baustoffe und -teile so, dass sie für den weiteren Transport nach Materialarten getrennt in einheitliche Gitterboxen passen. Beim Zerlegen der recht großen Komponenten kommen Sägen, Seilsägen, Hydraulikscheren und Schneidbrenner zum Einsatz.
Um den Grad der radioaktiven Verunreinigung festzustellen, finden im Reaktorgebäude bereits vor der Demontage Messungen statt. In den meisten Fällen handelt es sich um Verunreinigungen an der Oberfläche. Diese lassen sich in der Regel mit einem Hochdruckreiniger beseitigen. Mit 2000 Bar rücken die Arbeiter der Radioaktivität dann zu Leibe. Reicht der Wasserdruck nicht aus, tragen sie die Oberfläche mit chemischen oder physikalischen Verfahren ab. Das abgelöste Material wird anschließend gesammelt und verdampft; das Endprodukt gepresst, um den radioaktiven Müll so gering wie möglich zu halten. Während der Abfall als Gefahrgut abtransportiert wird, finden die gesäuberten Materialien ihren Weg zurück in den Wertstoffkreislauf - werden beispielsweise von Schrotthändlern aufgekauft.
Bevor sie auf die Reise gehen, müssen die Gitterboxen jedoch noch durch die Freimessanlage. Erst wenn in diesem Gerät, das wie ein großer Metallschrank aussieht, keine Strahlung mehr festgestellt wird, dürfen die Boxen die Anlage verlassen. Den Großteil des radioaktiven Abfalls machen der Reaktordruckbehälter und seine Betonhülle aus. Sie sollen in das Endlager Schacht Konrad eingelagert werden. "Wann Konrad betriebsbereit ist, steht jedoch noch nicht fest", sagt Hackel. Von 500 000 Tonnen Material sollen am Ende des Rückbaus weniger als 3000 Tonnen radioaktiver Abfall übrig bleiben.
"Wenn alle Räume leer sind und keine Radioaktivität mehr gemessen wird, sind wir beim letzten Schritt angelangt: dem Abriss der Gebäude", sagt Hackel.
Für den gesamten Rückbau sind 750 Millionen Euro eingeplant. Bisher habe man ungefähr die Hälfte davon verbraucht. fas

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