Streit über geplantes Anti-Fluglärm-Gesetz

BERLIN. Umweltverbände und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) haben den Bundestag zu deutlichen Verbesserungen des Gesetzentwurfs zum Schutz vor Fluglärm aufgefordert.

Der Fluglärm beeinträchtigt die Lebensqualität von Millionen Menschen. Jeder Dritte fühlt sich mittlerweile durch Fluglärm belästigt. Die Zahl der Fluggäste aber nimmt mit jedem Jahr weiter zu, parallel steigt auch die Zahl der Flüge, etwa durch das wachsende Angebot von Billigfliegern. Die Anwohner von Flughäfen, die am stärksten unter Lärm zu leiden haben, sollen künftig besser vor Flugzeuglärm geschützt werden. Das ist die feste Absicht der schwarz-roten Bundesregierung. Doch Umweltverbände machen inzwischen massiv Front gegen die Novelle des Gesetzes zum Schutz vor Fluglärm, für die Umweltminister Sigmar Gabriel sich am 1. Februar im Bundeskabinett grünes Licht holte. Gestern fand in Berlin zum geplanten Fluglärmschutzgesetz eine Anhörung von Sachverständigen durch den Umweltausschuss des Bundestages statt. Unmittelbar zuvor hatten sich bereits die Umweltverbände auf einer gemeinsamen Pressekonferenz massiv gegen das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ausgesprochen. Werner Reh, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland: "Besser kein Gesetz als dieses. Wer nur die Kosten für Lärmschutzfenster tragen will, anstatt den Lärm an der Quelle zu mindern, kapituliert vor der Lärmbelastung durch den wachsenden Luftverkehr." Während sich die Vertreter der Flughafenbetreiber gestern bei der Anhörung im Umweltausschuss durchweg wohlwollend äußerten, kritisierten Lärmfachleute das Gesetzesvorhaben zum Teil scharf. Vor allem die Umweltschützer bemängelten, dass es mit dem Gesetzentwurf nicht gelungen sei, "zu einem fairen Interessenausgleich" zwischen den von Fluglärm betroffenen Menschen sowie der Luftverkehrswirtschaft zu kommen. "Durchgesetzt haben sich die Partikularinteressen der Luftverkehrswirtschaft", so der Vorwurf. Die vorgesehenen Lärmwerte für den Einsatz von passivem Schallschutz seien viel zu hoch und befänden sich ,,an der Grenze zur Gesundheitsgefährdung". Ein präventiver Schutz der Bevölkerung fände nicht statt. Die Lärmwerte orientierten sich "nicht an den neueren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung". Anspruch auf Schallschutz

Mit dem neuen Gesetz soll laut Bundesregierung ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Belangen der Luftfahrt und den Interessen der Flughafenanwohner. Kern der Modernisierung des Fluglärmgesetzes, das vom Bundestag noch verabschiedet werden muss und das spätestens am 1. Januar 2007 in Kraft treten soll, ist eine deutliche Absenkung der Grenzwerte für die Lärmschutzzonen an Flugplätzen. Nach dem bislang gültigen Fluglärmgesetz von 1971 besteht ein Anspruch auf baulichen Schallschutz für Wohnungen erst, wenn der Fluglärm über 75 Dezibel liegt. Bei derart hohen Belastungen erlebten Menschen nicht nur massive Störungen und Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität. Wissenschaftliche Studien, aus denen gestern bei der Anhörung mehrfach zitiert wurde, zeigen auf, dass derartiger Lärm auch ein deutliches Gesundheitsrisiko darstellen kann. Die Bundesregierung will die neuen Grenzwerte für bestehende zivile Flugplätze deshalb in der so genannten Schutzzone I tagsüber von 75 auf 65 Dezibel absenken. Nachts zwischen 22 und 6 Uhr soll der Grenzwert bei maximal 55 Dezibel liegen. Beim Ausbau oder Neubau von Flugplätzen sollen Anwohner schon ab einem Lärmpegel von tagsüber 60 und nachts 50 Dezibel Anspruch auf Schallschutz haben. Dies betrifft vor allem Schallschutzfenster, beispielsweise in Form von Fenster-Doppelverglasung. Außerdem sind Nachtschutzzonen geplant. Den Kritikern sind diese Werte noch immer zu hoch, sie fordern eine weitere Absenkung der zulässigen Dezibelwerte um fünf bis zehn Prozent. Das geplante Gesetz, das Gemeinden und Flughafenbetreibern mehr Rechtssicherheit geben soll, schränkt außerdem in hoch belasteten Gebieten dicht an Flughäfen den Neubau von Wohnungen ein, um somit künftigen Konflikten vorzubeugen. Zahlungspflichtig bei Lärmschutzmaßnahmen ist in aller Regel der jeweilige Flughafenbetreiber. Laut Berechnungen der Bundesregierung belaufen sich die Kosten für einen verbesserten Lärmschutz auf insgesamt 550 bis 600 Millionen Euro. Schätzungen gehen somit von Zusatzkosten in Höhe von rund ein bis maximal zwei Euro aus, sollten die Betreiber wie angekündigt diese Kosten auf die Reisenden umlegen. Die Umweltverbände halten diese Werte für viel zu hoch und sprachen gestern von einer maximalen Belastung pro Flugticket von 38 Cent. Im Bundesrat ist die Gesetzesnovelle nicht zustimmungspflichtig.

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