Streit um Abschiebung in Rheinland-Pfalz: Dass sich die Ministerin so einmischt, ist selten

Trier · Im Eifelkreis hat das rheinland-pfälzische Integrationsministerium eine Abschiebung gestoppt. Dieser Fall scheint aber die Ausnahme zu sein.

Der Fall hat landesweit für Aufsehen gesorgt. Am 14. Juli vergangenen Jahres erteilte das rheinland-pfälzische Integrationsministerium der Ausländerbehörde des Eifelkreises Bitburg-Prüm die Anweisung, die angeordnete Abschiebung einer siebenköpfigen libanesischen Familie zu stoppen. Während das Amt und das Trierer Verwaltungsgericht die Abschiebung als rechtmäßig ansahen, weil der Verdienst des Vaters nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten, sah das Ministerium die Entscheidung als "nicht verhältnismäßig" an. Letztlich hätten rechnerisch nur 19,33 Euro gefehlt, um den Bedarf für die siebenköpfige Familie zu sichern, argumentierte das Ministerium.

Nach Auskunft der Bitburg-Prümer Kreisverwaltung war es der einzige Fall, bei dem die Ausländerbehörde aus Mainz eine Anweisung erhalten hat. Allerdings, so Heike Linden, Sprecherin der Kreisverwaltung, sei es dabei nicht - wie vom Ministerium dargestellt - um 19,33 Euro gegangen, die zum Lebensunterhalt fehlten, sondern um 200 Euro. Das hätten die Berechnungen der Ausländerbehörde ergeben. "Damit war das Ministerium aber nicht einverstanden und erteilte uns eine Weisung, wie zu verfahren sei", so die Kreissprecherin. Die Weisung sei erfolgt, weil sich der Familienvater an das Ministerium gewandt habe, anstatt das Urteil des Trierer Verwaltungsgerichts auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht sei möglich gewesen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Integrationsministerium in eine Entscheidung einer Ausländerbehörde einmischt. Eine Frau aus Armenien war im Mai trotz Ausbildung zur Hotelfachfrau mit ihrer Tochter abgeschoben worden, nachdem sie vier Jahre im Kreis Bad Kreuznach gelebt hatte. Das Ministerium will erreichen, dass die Armenierin wieder einreisen darf.

Solche Fälle, in denen das Ministerium den Ausländerbehörden Weisungen erteilt, seien die Ausnahme, sagte Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) gestern in Mainz. Sie sprach von "einer Handvoll". Zumeist stelle das Ministerium den Rechtsstandpunkt dar, und die Kommune nehme diesen an, sagte Daniel Asche, Leiter der Abteilung Integration und Migration. Pro Jahr befasse sich das Ministerium mit etwa 300 ausländerrechtlichen Einzelfragen.
Die Kreisverwaltungen in der Region und die Stadt Trier bestätigen diese Aussage, wie eine Nachfrage unserer Zeitung ergab. Bis auf den Bitburg-Prümer Fall hat es demnach keine Intervention aus Mainz bei Entscheidungen der jeweiligen Ausländerbehörden gegeben. Je nach Fall frage man beim Ministerium nach und betrachte die Antwort als Entscheidungshilfe, heißt es aus der Dauner Kreisverwaltung.

Durchweg, auch aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm, wird die Zusammenarbeit mit Mainz als gut bezeichnet. Aus dem Trierer Rathaus heißt es, die Zusammenarbeit sei "konstruktiv und unproblematisch". Eine regelhafte Überprüfung aller Entscheidungen über eine Abschiebung durch das Ministerium erfolgt nach Auskunft der Behörden nicht. "Eine Überprüfung erfolgt nur dann, wenn Beteiligte oder Dritte nicht mit einer Entscheidung einverstanden sind", sagt die Sprecherin der Bitburg-Prümer Kreisverwaltung. "Die Arbeit und die Entscheidungen der Ausländerbehörde in Abschiebeverfahren erfolgen auf Grundlage der Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge", teilt die Sprecherin der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich mit. Die Behörden vor Ort überprüften, ob die Betroffenen transport- und reisefähig seien, ob sie also etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden könnten. In jedem Fall werde mit den jeweiligen Asylbewerbern vorher ein Gespräch geführt, um sie "davon zu überzeugen, dass eine freiwillige Ausreise sowohl rechtlich wie auch tatsächlich immer die beste Lösung ist", sagte Linden.

144 Asylbewerber im Eifelkreis Bitburg-Prüm seien im vergangenen Jahr freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt, wurde weiter berichtet. 20 seien es bislang in diesem Jahr. 42 Personen wurden 2016 abgeschoben, 24 sind es bis jetzt in diesem Jahr. Auch im Vulkaneifelkreis lag die Zahl der freiwilligen Ausreisen im vergangenen Jahr mit 132 deutlich über der der Abschiebungen, von denen es demnach sechs gegeben hat. In diesem Jahr hat es bislang acht freiwillige Ausreisen und vier Abschiebungen gegeben. In Bernkastel-Wittlich wurden in diesem Jahr 28 Personen abgeschoben, in Trier 214.

Dass es immer wieder dazu kommt, dass Abzuschiebende mitten in der Nacht aus ihren Wohnungen geholt würden, hänge unter anderem mit vorgegebenen Flugzeiten von Sammelflügen und weiten Entfernungen von Abflughäfen zusammen, sagt Linden. "Leider", so die Kreissprecherin, "hat Rheinland-Pfalz kein zentrales Rückführungszentrum wie andere Länder. Sonst könnten wir uns diese Einsätze in der Nacht sparen."

Solche Zentren, in denen nicht anerkannte Asylbewerber auf ihre Abschiebung warten, fordert auch die CDU-Fraktion im Landtag. Vizefraktionschef Christian Baldauf wirft Ministerin Spiegel vor, sich über die Entscheidungen der Landkreise hinwegzusetzen.

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