Stress + Stress + X = Depression

Trier · Zunehmende Belastungen im Alltag machen Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Erkrankung kann unterschiedliche Auslöser haben.

Trier Zwar sind Erkältungen und Rückenschmerzen statistisch gesehen mit Abstand die häufigsten Ursachen für Krankschreibungen. Keine andere Erkrankung hat in den vergangenen Jahren aber statistisch gesehen so sehr zugenommen wie Depressionen. Nach einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) nimmt auch unter den Auszubildenden die Zahl der jungen Frauen und Männer mit psychischen Problemen zu. 15 Prozent aller Azubis zwischen 16 und 25 Jahren in Rheinland-Pfalz erhielten demnach im vergangenen Jahr Medikamente zur Behandlung des Nervensystems. Das sind mehr als in anderen Bundesländern.
"Die Gründe für die Zunahme der psychischen Diagnosen sind vielfältig", sagt TK-Landeschef Jörn Simon. "Sicherlich haben Betroffene heute weniger Hemmungen, ihre psychischen Probleme anzusprechen. Aber auch Veränderungen des Lebensstils in den vergangenen 15 Jahren spielen eine Rolle."
Wie aus Stress im schlimmsten Fall schwere Depressionen werden, weiß Dr. Günther Stratmann, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Mutterhaus der Borromäerinnen. Die Grundlagen dafür würden häufig bereits im Kindesalter gelegt: "Frühkindliche Störungen haben enorme Auswirkungen für die gesundheitliche Entwicklung." Zudem gebe es auch eine genetisch bedingte Veranlagung, Situationen als Stress zu empfinden. "Die Schule wird von vielen jungen Menschen als Stress empfunden. Der Wechsel in die Arbeitswelt ist erneut eine enorm belastende Phase." In der Addition der Stressfaktoren könne es dann zur Erkrankung kommen. Manchmal sei auch der chronische Stress durch die intensive Nutzung sozialer Netzwerke der Auslöser.
Stratmann skizziert einen beispielhaften Fall: Karina (Name geändert), eine 18-Jährige Auszubildende aus Trier, hatte schon immer Probleme. Als Kind litt sie unter der Trennung der Eltern. Die Grundschulzeit war geprägt von häufigen Bauchschmerzen und vielen Fehlzeiten. Dennoch wechselte Karina auf Drängen ihrer Mutter auf ein Gymnasium, wo sie kaum Kontakt zu Gleichaltrigen fand. Auch der Versuch, dies im geschützten Umfeld eines Sportvereins zu ändern, klappte nicht. Als das Mädchen mit 13 Jahren dann ihr Interesse für Jungs entdeckte, kam es zum Streit mit der Mutter und dem Stiefvater. Die Schulprobleme wurden größer. Das Smartphone war ihr ständiger Begleiter. Sie flüchtete in eine Gruppe mit Jugendlichen und kam in Kontakt mit Drogen. Schlafstörungen machten ihr zu schaffen, an einen Schulbesuch war kaum noch zu denken. Der Teufelskreis gipfelte in Selbstverletzungen und Gedanken an Selbstmord.
"Als Karina zu uns in die Therapie kam, haben wir beim Intelligenztest festgestellt, dass sie nur knapp durchschnittlich begabt ist", erinnert sich Chefarzt Stratmann. "Die Jugendliche war durch die falsche Schulwahl vollkommen überlastet. Nach der stationären Psychotherapie wurde sie ambulant weiterbetreut und erhielt eine medikamentöse Behandlung." Karina wechselte auf die Realschule, machte ihren Schulabschluss und fand eine Lehrstelle. Regelmäßig nutzt sie die Nachsorgetermine.
"Viele Fälle gehen nicht so gut aus", weiß Günther Stratmann, der eine einfache medikamentöse Behandlung bei Jugendlichen für oft nicht ausreichend hält.
Zunächst eine Psychotherapie und dann - im Abstand von mehreren Wochen - die Behandlung mit Medikamenten, das sei am effektivsten. "Es ist ganz wichtig, in der medizinischen Versorgung hier zu investieren."
Noch wichtiger sei es allerdings, Kinder von Beginn an starkzumachen. "Je jünger ein Kind ist, desto wichtiger ist das Lernumfeld für die zukünftige Entwicklung. Überbehütung ist schlecht. Aber wer als junger Erwachsener die Ablösung von den Eltern schafft, hat gute Voraussetzungen, in dieser Gesellschaft zu bestehen."Extra: MÄDCHEN HÄUFIGER BETROFFEN ALS JUNGEN


(dpa/r.n.) Mädchen sind im Jugendalter dreimal so häufig von Depressionen betroffen wie Jungen. Ähnliche Erkenntnisse liefert auch die aktuelle Studie der Krankenkasse DAK. 43 Prozent der Schüler leiden demnach unter Stress - mit Folgen für die Gesundheit. Ein Drittel der betroffenen Jungen und Mädchen klagt über Beschwerden wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafprobleme und Panikattacken. Der Stress nimmt mit den Schuljahren zu. Mädchen fühlen sich häufiger gestresst als Jungen. Jede zweite Schülerin habe sehr oft oder oft Stress. Bei den Schülern seien es 37 Prozent. Vier von zehn Schülerinnen hätten oft Kopfschmerzen, mehr als ein Drittel schlafe schlecht. 30 Prozent klagten regelmäßig über Rückenschmerzen, ein Viertel über Bauchweh. Bei den Jungen gab gut ein Viertel an, häufig Kopfschmerzen zu haben. Jeweils rund 30 Prozent der Schüler schlafen demnach schlecht oder haben Rückenschmerzen, 15 Prozent haben oft Bauchweh. Viele Kinder und Jugendliche erlebten Schule als Belastung. 40 Prozent der Schüler gaben an, zu viel für die Schule zu tun zu haben. Ein solch negativer Stress wird demnach von Schüler zu Schüler unterschiedlich stark empfunden.

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