Studienplatz als Spekulationsobjekt

Jahrelang kämpften die Hochschulen dafür, selbst ihre Studenten auswählen zu dürfen. Doch mit der Flut an Bewerbungen setzte auch die Überforderung ein. Bei der Studienplatzvergabe wird von Bewerbern und Unis kräftig spekuliert.

Mainz. Vergleichende Literaturwissenschaft an der Uni Frankfurt, Geografie in Mainz oder doch ein Lehramtsstudium in Koblenz? Studienplatzbewerber werden in ihrer Ausrichtung immer flexibler, Anforderungen für das gleiche Studienziel an verschiedenen Hochschulen immer unterschiedlicher. Die Folge: Ein Dutzend und mehr Bewerbungen werden verschickt, nicht zuletzt wegen der Vorzüge einer Online-Anmeldung. Die teils komplizierten Bewerbungs-Anforderungen "zwingen" quasi zu Mehrfach-Bewerbungen, wie Bernhard Einig, Abteilungsleiter Studium und Lehre an der Uni Mainz, erläutert. Vor allem, wenn auf das verlockendste "Angebot" spekuliert wird. Nicht eingelöste Zusagen erfordern dann bis zu vier Nachrückverfahren, um die Studienplätze zu besetzen.

Dieses langwierige Verfahren bringt umgekehrt wieder die Neu-Studenten bei ihrem verspäteten Semestereinstieg oder der Wohnungssuche in Nöte. Bei zwei von drei der insgesamt 120 Studienfächer gibt es in Mainz Zulassungsbeschränkungen. In Rechtswissenschaften werden bis zu dreimal so viele Zusagen rausgeschickt, wie es Studienplätze gibt. Doch das Überbuchungssystem kann für die Hochschulen auch zum Bumerang werden, wenn die verteilten Zusagen entgegen allen Spekulationen und Erwartungen weitgehend angenommen werden, wie es die Mainzer Uni bereits im Fach Medizin erlebt hat.

Niemand hat den Überblick



Die Verrechnung mit den Aufnahmekapazitäten folgender Semester wurde später per Gerichtsbeschluss untersagt, so dass zumindest bei Medizin und Zahnmedizin nicht mehr überbucht wird. Die Fachhochschule Trier hat laut Präsident Jörg Wallmeier die Zulassungsverfahren, wo immer möglich, beschleunigt, um rasch Bescheide zu verschicken und Planungssicherheit zu gewinnen. Dann werden auch schon mal Bewerber angerufen. Dennoch hält Wallmeier eine Rückkehr zur zentralen Studienplatzvergabe in besonders gefragten Fächern für sinnvoll, um vom großen Unsicherheitsfaktor Mehrfachbewerbungen wegzukommen. Damit würde eine einzige Bewerbung mit Rangliste der bevorzugten Hochschulen genügen. Im Mainzer Wissenschaftsministerium sind die Probleme sehr wohl bekannt. Einen Überblick, wie viele gefragte Studienplätze mit örtlicher Zulassungsbeschränkung am Ende unbesetzt bleiben, weil zugelassene Bewerber abgesprungen sind, gibt es allerdings nicht. Ein bereits von den Bundesländern ausgehandelter Staatsvertrag sieht die Umwandlung der bislang stets umstrittenen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in eine Serviceeinrichtung vor. Die Hochschulen könnten dann freiwillig deren Vergabesystem buchen, vor allem in Fächern mit begrenzter Aufnahme. Ein angelaufener Pilotversuch für die Fächer Jura und Wirtschaftswissenschaften, an dem auch die Uni Mainz beteiligt ist, zeigt jedoch, dass dieses System nur Sinn hat, wenn möglichst alle Hochschulen sich für die jeweiligen Fächer dem System anschließen. Zudem bleibt die Frage einer Finanzierung der ZVS-Servicegebühr. Die Hochschulen könnten keine zusätzlichen Kosten tragen, so der Trierer Uni-Präsident Peter Schwenkmezger, der sich auch eine Beteiligung der Studienbewerber mit 50 Euro vorstellen kann. Eine Anschubfinanzierung von 15 Millionen Euro über mehrere Jahre hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan in Aussicht gestellt. Die Finanzierung der neuen ZVS soll auch Thema auf dem Bildungsgipfel bei Kanzlerin Angela Merkel im Oktober sein.

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