Suche nach gesichtswahrenden Formulierungen

Nachdem die Bundesregierung die Klimainitiative von US-Präsident George W. Bush anfangs sehr kritisch gesehen hatte, versucht sie jetzt, das Positive daran aufzunehmen und doch noch zu einem gemeinsamen Beschluss des G8-Gipfels zu kommen.

Berlin. "Wir werden bis zur letzten Minute um jede Formulierung ringen", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern. Die "rote Linie" bleibt für die G8-Präsidentin Angela Merkel die Einbeziehung aller Aktivitäten in einen weltweiten UN-Prozess. Nur er garantiere eine völkerrechtliche Verbindlichkeit, heißt es in Berlin. Bush will die 15 größten Emittenten gesondert zusammenrufen und mit ihnen bis Ende 2008 "verbindliche" Klimaziele beschließen. Dies war zunächst als Torpedierung der im Winter auf Bali anstehenden UN-Beratungen interpretiert worden. Nun heißt es in Berlin, möglicherweise ließen sich beide Ansätze vereinbaren. Merkel sagte am Montag, entscheidende Fortschritte seien in Heiligendamm möglich - "wenn es uns gelingen würde, die Amerikaner, die ja raus waren aus dem UN-Prozess, für die Zeit nach Kyoto wieder in diesen UN-Prozess hineinzuholen". Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verlangte gestern eine Einbeziehung aller Initiativen in internationale Abkommen. Nur sie seien überprüfbar. Derzeit wird auf der Ebene der Gipfel-Vorbereiter ("Sherpas") um Kompromisse gefeilscht.Forderung nach klarem weltweiten Signal

Am Sonntag, nach einem Treffen mit dem britischen Premier Tony Blair, hatte Merkel die Bush-Initiative erstmals einen "Schritt nach vorn" genannt. Auch Blair hatte es begrüßt, dass die USA nun Teil eines Übereinkommens werden wollten, nur müsse man "natürlich weiter gehen": Es müsse ein klares, weltweites Ziel geben. Mit China hat sich ein wichtiges Schwellenland gestern ebenfalls für die Fortsetzung des Kyoto-Prozesses ausgesprochen, den die amerikanische Initiative nicht ersetzen dürfe. Merkel will nicht nur das Wort "Uno" in die Abschlusserklärung aufgenommen wissen, sondern auch das gemeinsame Versprechen, die Erderwärmung maximal bis zwei Grad ansteigen zu lassen und den CO{-2}-Ausstoß bis 2050 zu halbieren. Derart konkrete Zahlen wollen die USA aber ebenfalls aus dem Entwurf streichen. Laut "Spiegel" wies Merkel den deutschen Sherpa Bernd Pfaffenbach bei einer internen Beratung im Kanzleramt an, strikt an diesen Zielen festzuhalten. Erwartet wird daher, dass die Regierungschefs selbst am Ende in Heiligendamm das Thema klären müssen. Nicht gerade Rückendeckung für Merkels Verhandlungsstrategie gab gestern Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Er veranstaltete zusammen mit dem Direktor der Internationalen Energie-Agentur (IEA), Claude Mandil, eine Pressekonferenz und sprach sich dort erneut für die Beibehaltung der Kernenergie aus. Dies sei auch nötig, um die Klimaziele zu erreichen. Ähnlich argumentiert ebenfalls George W. Bush, jedoch ist Merkel wegen des Koalitionsvertrages gehindert, darauf einzugehen.

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