Suppenteller und Nebelrakete

Garmisch-Partenkirchen · Statt der 7000 erwarteten haben nur 3500 G7-Gegner in Garmisch-Partenkirchen demonstriert. Bis auf wenige Rangeleien verlief die Kundgebung weitgehend friedlich. Ein heftiges Gewitter beendete die Demonstration.

Garmisch-Partenkirchen. Bis zum frühen Samstagnachmittag hat Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer nur ein besonderes Vorkommnis zu vermelden: "Es gab den Tellerwurf eines 33-jährigen Österreichers auf einen Polizisten." Der Suppenteller war zum Glück leer. Kammerer scherzt: "Der Schwarze Block hat hitzefrei." Bunt, laut und weitgehend friedlich verläuft in Garmisch-Partenkirchen die Großdemonstration gegen den G7-Gipfel auf Schloss Elmau. Richtig heiß ist vor allem das Wetter.
Am Morgen wird von den Behörden noch gewarnt, 40 Prozent der rund 7000 erwarteten Demonstranten könnten Gewalttäter sein. Es kommt anders: Erstens gelingt es nur 3500 G7-Gegnern, nach Garmisch zu kommen. Die Kontrollen in der Region sind extrem. Zweitens ist in der Stadt die Polizeipräsenz übermächtig, 5000 Beamte aus dem ganzen Bundesgebiet sind im Einsatz. An jeder Ecke sieht man uniformierte Trupps - eingreifbereit.
Zu Beginn der Demo kommt es zu Rangeleien, weil die Polizei den Zug nicht loslaufen lassen will. Einige Demonstranten haben sich vermummt, andere verstoßen gegen die Auflage, keine verknoteten Seitentransparente auszurollen. Die Polizei will freie Sicht. Nach einigem Hin und Her setzt sich der Demonstrationszug dann schwerfällig in Bewegung, beäugt von vielen Schaulustigen. Für einen G7-Gegner ist die ganze Aufregung wohl zu viel. Er erleidet einen Kreislaufkollaps. Gegen Ende des Marsches wird eine Nebelrakete gezündet, Flaschen und Stangen werden geworfen, Polizisten setzen vereinzelt Pfefferspray und Schlagstöcke ein.
Aber das ist weit weniger Aufruhr, als man vorab befürchtet hat. Und dann schlägt auch noch das Wetter um. Ein heftiges Gewitter beendete die Hitze und die Demo. Viele Protestler retten sich in den Bahnhof, wo sie von Sanitätern mit Alu-Decken gewärmt werden. Andere reisen ab. Garmisch-Partenkirchen atmet auf. Auch am Sonntag gibt es keine brennenden Autos und Barrikaden, keine zerschlagenen Fensterscheiben. Die Bilder, die die Gipfel-Idylle hätten stören können, fallen aus.
Doch wer demonstriert gegen den Gipfel? Es sind die unterschiedlichsten Gruppen mit unterschiedlichsten Zielen. Auf der Demo sieht man Transparente wie: "Für ein gutes Leben für alle". Oder: "TTIP ist böse", "G7 zur Hölle", "Flüchtlinge willkommen" und "Jetzt reicht es - als Volksvertreter gewählt, von Konzernen gelenkt". Auch Margot Landgraf macht mit. Die 73-jährige Partenkirchnerin trägt ein Schild: "Demo bitte friedlich". Landgraf bringt regelmäßig Essen zum Camp der G7-Gegner. Sie sucht das Gespräch mit den jungen Leuten, fordert sie auf, Vorschläge zu machen, "wie sich was ändern kann. Aber ohne Hetze"."Kapitalismus ist das Problem"


Till und Malte aus Stuttgart haben da schon ganz konkrete Ideen. Die beiden 22-Jährigen tragen ein rote Fahne: "Revolution" steht darauf. "Der Kapitalismus ist das Problem hinter all den Krisen, die wir erleben", sagt Till. Die G7 stünden für die "Probleme der Welt, nicht für deren Lösung." Beide sind erfahrene Demonstranten, sie haben sogar ein Training absolviert, wie man sich gegen die Polizei zur Wehr setzen kann - " wir wollen aber keine Eskalation". Wer trotzdem Ärger mit der Staatsgewalt bekommt, dem steht Yunus Ziyal zur Seite. Er gehört zum "Legal Team", ein anwaltlicher Notdienst. 14 Juristen begleiten freiwillig die Demo, allzu viel zu tun haben sie nicht.
Etwas anderes als Kapitalismuskritik treibt Edgar Munzschöller um. Er trägt ein ausgestopftes Huhn auf seinem Hut. Munzschöller ist gegen Massentierhaltung, er will endlich mehr Klimaschutz "und den Weltfrieden". Die G7 lehnt er nicht gänzlich ab, "ich habe da schon etwas Hoffnung", gibt er zu. Mit dieser Haltung ist der 64-Jährige freilich an diesem Samstag unter den Demonstranten in Garmisch ziemlich allein. has

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