Telefon und PC statt Kopftuch und Melkeimer

Koblenz · Modernes Frauenbild statt eines miefigen Bäuerinnen-Images: Christa Klaß hat sich 24 Jahre als Vorsitzende des Landfrauenverbandes Rheinland-Nassau für die Interessen der Frauen auf dem Land eingesetzt. Heute wird sie verabschiedet.

 Eine Bäuerin beim Buttermachen: Szenen wie diese sind heute nur noch bei Vorführungen der Bauerntradition zu bewundern – wie hier 2011 bei der 750-Jahr-Feier in Herforst (Eifelkreis Bitburg-Prüm). ArchivFoto: Karl-Heinz Gillessen

Eine Bäuerin beim Buttermachen: Szenen wie diese sind heute nur noch bei Vorführungen der Bauerntradition zu bewundern – wie hier 2011 bei der 750-Jahr-Feier in Herforst (Eifelkreis Bitburg-Prüm). ArchivFoto: Karl-Heinz Gillessen

Koblenz. Landfrauen? Da denkt so manch einer noch an Schürzen und Kopftuch tragende Bäuerinnen, die morgens im Stall die Kühe melken, danach das Brot backen und das Mittagessen kochen. Sonntags gehen sie mit dem Mann in die Kirche, warten bis der vom Frühschoppen kommt. Bei festlichen Anlässen wie der Dorfkirmes tragen sie Bauerntracht. Klischees. Eine, die dafür gesorgt hat, dass das Bild der Landfrauen in den vergangenen Jahren zurechtgerückt worden ist, ist Christa Klaß. Die CDU-Politikerin und Europa-Abgeordnete aus Osann-Monzel (Kreis Bernkastel-Wittlich) stand seit 1989 an der Spitze des Landfrauenverbandes Rheinland-Nassau. Heute tritt die 61-jährige Hauswirtschaftsmeisterin und Winzerin ab.
Ihre Nachfolgerin als Landfrauen-Vorsitzende wird Rita Lanius-Heck aus Oberwesel (Rhein-Hunsrück-Kreis).
Die Landfrauen seien ihre politische Basis, sagt Klaß. Vor 37 Jahren sei sie dort eingestiegen, beim Landfrauenverband Bernkastel-Wittlich. "Dass die Landfrauenarbeit mir einmal den Weg in die Politik ebnen würde, das hätte ich mir so nie geträumt." Mittlerweile habe sie als "die Landfrau" ihren Platz in der CDU, in der Kommunal- und auch in der Europapolitik. Und als Präsidentin des Verbandes, der mit 22 000 Mitgliederinnen - davon allein gut 4000 in der Region - der größte Frauenverband im Land ist, hat Klaß immer auch Politik gemacht.
So hat sie sich schon frühzeitig für bessere Internetverbindungen auf dem Land eingesetzt. Denn, so sagte Klaß bereits vor zehn Jahren beim 50. Geburtstag des Landfrauenverbandes Daun: "Melkeimer, Kopftuch und Gummistiefel? Vergessen Sie\'s! Das waren die klassischen Attribute einer Bäuerin von gestern. Die von heute ist Managerin mit Telefon und PC." Und dafür braucht sie eben auch ein schnelles Internet. "Das ist die Post im Dorf der Zukunft. Wer hier abgehängt ist, der hat schon verloren", sagte Klaß vor drei Jahren. Statt um Kinder, Küche, Kirche gehe es bei den Landfrauen heute um die drei andern K: "Kommunikation, Kompetenz und Karriere".
Auf dem Land lebe längst die zweite Generation von Frauen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung hätten und ihren "Mann" stünden. Sie verdienten ihr eigenes Geld, seien teilweise ihr eigener Chef und stünden auf eigenen Füßen.
Ihr Einsatz für mehr Eigenständigkeit der Bäuerinnen fanden allerdings nicht alle Männer im Bauernverband, dem der Landfrauenverband angeschlossen ist, so gut. Christa Klaß erinnert sich: "Ich weiß noch, als wir uns starkgemacht haben, dass Frauen auf den Bauernhöfen sich auch ein zweites Standbein, einen Nebenerwerb, aufbauen sollen, wenn das Betriebseinkommen nicht mehr reicht. Wir sind in den 90er Jahren mit der damaligen rheinland-pfälzischen Frauenministerin Jeanette Rott-Otte (SPD) auf dem Hunsrück und an der Mosel unterwegs gewesen, um auf die spezielle Situation der Frauen in den bäuerlichen Betrieben hinzuweisen. Da gab es Ärger im Bauernverband." Man habe den Landfrauen vorgeworfen, sie würden die Frauen durch mehr Eigenständigkeit von den Betrieben locken. "Wir konnten aber überzeugen, dass Frauen durchaus auch in Eigenständigkeit, freiwillig und gerne auf den Betrieben und in den Dörfern bleiben." Die Selbstständigkeit der Frauen und das Thema Arbeitsplätze für Frauen im ländlichen Raum - das sind laut Klaß Fragen, die "nie ganz abgehandelt sein werden".
Landfrauenarbeit als Frauenpolitik, so hat Klaß ihre Arbeit immer verstanden. Durch ihre Kontakte innerhalb der CDU gelang es ihr auch häufig, bundespolitische Prominenz zu Veranstaltungen in die Region zu locken. So etwa 1997, als die damalige Bundestagspräsidentin und Unionspolitikerin Rita Süssmuth zu einer Jubiläumsveranstaltung des Landfrauenverbandes Bernkastel-Wittlich nach Dreis kam. Das habe für erhebliche Aufregung gesorgt, als der Personenschutz mit den Hunden das ganze Dorf Dreis gesichert habe, erinnert sich Klaß noch heute an den März-Tag vor 14 Jahren.
Auch wenn heute immer noch Kurse für Weidenflechten oder kreatives Gestalten von Frühlingsdekoration und Weiterbildungen von einzelnen Ortsverbänden des Verbandes angeboten werden, stehen zunehmend auch politische Diskussionen etwa über die Zukunft der Landwirtschaft auf dem Programm. Landfrauen, zu denen längst nicht mehr nur Bäuerinnen zählen, sondern Rechtsanwältinnen genauso wie Angestellte oder Hausfrauen, seien kesser geworden, sagt Klaß. Sie versteht den Verband daher als Interessenvertretung der Frauen auf dem Land. Dazu zählt für sie natürlich auch die Gleichberechtigung - etwa im Ehrenamt. Es sei wichtig, die ehrenamtlichen Frauen gleichberechtigt mit den Männern einzubeziehen "wenn es um Orden und Ehrentitel geht", sagt Klaß. "Ohne Ehrenamt funktioniert die Gesellschaft nicht, und niemand fängt als Ministerpräsidentin oder als Europaabgeordnete an, da gibt es davor und drum herum vieles, was zu tun ist."
Als einen Erfolg aus jüngster Zeit zählt die Politikerin den Einsatz des Landfrauenverbandes für die Mütter-Rente. Zusammen mit der Frauen-Union, deren Bezirksvorsitzende Klaß ist, hat der Verband auch gegen den Widerstand innerhalb der Union erfolgreich dafür gekämpft, dass Mütter auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, eine höhere Rente erhalten. "Bei den kleinen Bäuerinnenrenten macht das im Verhältnis viel aus, vor allem, weil gerade in bäuerlich-ländlichen Familien viele Kinder geboren wurden", sagt Klaß.Extra

Der Landfrauenverband Rheinland-Nassau bezeichnet sich selbst als einen der größten Frauenverbände. 22 000 Mitglieder zählt der Verband, organisiert in 19 Kreis- und Bezirksverbänden. Der Verband gehört zum Deutschen Landfrauenverband mit über 550 000 Mitgliederinnen. Die Landfrauen bezeichnen sich als "politisch neutral und konfessionell ungebunden" und wollen die Interessen aller Frauen, die auf dem Lande leben, vertreten. wie

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort