Telefonnummer soll Türen öffnen

Seit gestern Mittag gibt es eine bundesweit einheitliche Telefon-Hotline für Missbrauchsopfer in katholischen Einrichtungen. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, gab den Startschuss.

 Bundesweite Nummer für Missbrauchsopfer: Der katholische Sonderbeauftragte, Bischof Stephan Ackermann, stellt am Dienstag in Trier das Projekt der Öffentlichkeit vor. TV-Foto: Friedemann Vetter

Bundesweite Nummer für Missbrauchsopfer: Der katholische Sonderbeauftragte, Bischof Stephan Ackermann, stellt am Dienstag in Trier das Projekt der Öffentlichkeit vor. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Opfer von sexuellem Missbrauch haben es künftig einfacher, einen fachkundigen Ansprechpartner für ein erstes Beratungsgespräch zu finden. Wer die Gratis-Rufnummer 0800-1201000 wählt, wird automatisch mit einem von acht Trauma-Experten der Lebensberatung im Bistum Trier verbunden. "Wir wollen ansprechbar sein, wollen wissen, was erlitten wurde, und den Betroffenen bei der Aufarbeitung beistehen", sagte gestern der Sonderbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann.

"Wir wollen Türöffner sein und die Anrufer ermutigen, den nächsten Schritt zu gehen", präzisierte der Leiter des Arbeitsbereichs Beratungsdienste beim Bistum, Andreas Zimmer. Wie dieser Schritt, etwa ein Therapeutengespräch oder ein rechtliches Vorgehen, letztlich aussieht, sollen laut Zimmer "nur die Anrufer entscheiden". Für Missbrauchsopfer sei es enorm wichtig, "dass nicht wieder jemand anderes die Kontrolle hat".

Mit der Beratungs-Hotline und der Ernennung des Sonderbeauftragten Stephan Ackermann reagieren die deutschen Bischöfe auf die zunehmend bekannt werdenden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Wie groß das Ausmaß bundesweit ist, konnte Ackermann gestern nicht sagen. Ein bei der Bischofskonferenz seit einer Woche eingerichtetes Büro werde die Statistiken über Opfer und Täter aber sammeln und veröffentlichen, versprach der Trie rer Bischof. Zumindest für Ackermanns eigenes Bistum liegt seit Montag eine Zwischenbilanz vor (der TV berichtete): Allein für die Zeit zwischen 1950 und 1990 gibt es Hinweise auf 20 Missbrauchs-Priester. Mehr als 35 Opfer haben sich beim Missbrauchsbeauftragten des Bistums, Prälat Rainer Scherschel, gemeldet. Nach Angaben des katholischen Sonderbeauftragten wird der Ständige Rat der Bischofskonferenz Ende April über das weitere Vorgehen beraten. Dann werde es auch um das Thema Opferentschädigung gehen. Diese schließt Ackermann inzwischen, anders als noch vor vier Wochen, nicht mehr aus.

Kritisch sieht der Sonderbeauftragte den Vorstoß der bayerischen Bischöfe. Diese hatten sich unlängst dafür ausgesprochen, jeden Missbrauchsverdacht anzuzeigen, auch wenn die Opfer dagegen seien. Ackermann steht dieser Praxis skeptisch gegenüber ("Da wird man sich verständigen müssen") und sieht sich in guter Gesellschaft von Trauma-Experten, die sagen: Bei aller Aufklärungsbereitschaft müssten zunächst die Bedürfnisse der Opfer respektiert werden.

Mitte April trifft sich Ackermann mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger; eine Woche später sitzt er mit am Runden Tisch zum Thema Kindesmissbrauch bei Bundesfamilienministerin Kristina Schröder.

Die Gratis-Hotline 0800-1201000 ist dienstags, mittwochs und donnerstags von 13 bis 20.30 Uhr erreichbar. Auch über die Internetadresse www.hilfe-missbrauch.de können Opfer anonym Kontakt mit den Beratern aufnehmen.extra Anzeige gegen Ex-Kaplan bestätigt: Triers Leitender Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer hat auf TV-Anfrage bestätigt, dass das Bistum Strafanzeige gegen einen Kaplan gestellt hat, der in den 1960er Jahren mehrere Kinder in den beiden Eifelkreisen und in Trier sexuell missbraucht haben soll. Der heute 76-Jährige war 1973 auf eigenen Wunsch aus dem Priesteramt ausgeschieden. Im Zuge von Recherchen unserer Zeitung hatte das Bistum Trier Ende Februar bekannt gegeben, dass ein Kaplan in den 60er Jahren in Gerolstein einen Jungen mehrfach missbraucht haben soll. Auch in Trier und in einem weiteren Eifelkreis erheben inzwischen mehrere Messdiener Vorwürfe, von dem Geistlichen sexuell missbraucht worden zu sein. Da der Mann nur bis 1973 im Bistum Trier tätig war, geht der Leitende Oberstaatsanwalt davon aus, dass "alle Taten im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Trier verjährt sein dürften". Die Staatsanwaltschaft werde aber prüfen, ob eine Abgabe an eine andere Staatsanwaltschaft in Betracht komme. Jürgen Brauer: "Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen." Damit sind bislang drei Strafanzeigen gegen Geistliche bei der Trierer Ermittlungsbehörde eingegangen: Zwei mögliche Missbrauchsfälle hatte das Bistum, einen weiteren Fall eine Privatperson angezeigt. (kat)

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