"Terroristen nutzen Freiräume brutal aus"

In Pakistan lassen sich zunehmend Deutsche zu Terroristen ausbilden. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Essener Terrorismusforscher Rolf Tophoven.

Wie kommt ein Deutscher dazu, Terrorist zu werden?

Tophoven: Schwierige Frage. Ich denke, es gibt zwei Ströme, die in die Ausbildungscamps der pakistanisch-afghanischen Grenzregion führen. Das sind zum einen deutsche Konvertiten, die sich auf der Suche nach einem neuen Lebensinhalt dem Islam zuwenden und dabei radikalisieren.

Und der andere Strom?

Tophoven: Das sind in Deutschland aufgewachsene Muslime, die unsere Kultur und Sprache kennen, aber sich in unserer Gesellschaft häufig nicht angenommen fühlen und dann einen Hassprediger finden, der sie für den heiligen Krieg motiviert.

Die Gewerkschaft der Polizei klagt darüber, dass eine lückenlose Überwachung potenzieller Terroristen mangels Personal gar nicht möglich sei. Sind die Bürger der Gefahr schutzlos ausgeliefert?

Tophoven: Der Rechtsstaat bietet zweifellos große Freiräume, die von Terroristen brutal ausgenutzt werden. Wahr ist aber auch, dass die deutschen Sicherheitsbehörden seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ganz gut aufgestellt sind. Sie kennen die Ideologien, ihre Zentren und die Reisebewegungen der Gefährder. Allerdings beklagt das Bundeskriminalamt seit längerem, dass für das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung immer noch eine verfassungskonforme Lösung aussteht. Hier muss die Regierung schleunigst handeln.

Der Bundesinnenminister warnt vor "Alarmismus", derweil die Terrorwarnungen seitens der USA in diesen Tagen besonders dramatisch klingen. Wer hat nun Recht?

Tophoven: Die deutschen Einschätzungen sind absolut nachvollziehbar, denn es gibt keine konkreten Informationen über unmittelbar bevorstehende Terroranschläge.

Also alles Panikmache?

Tophoven: Ich halte die US-Warnungen für überzogen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Deutschland schon wegen seiner Truppenpräsenz am Hindukusch im Fokus des militanten Islamismus steht. Für eine Entwarnung gibt es jedenfalls keinen Anlass.

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