Teure Nachlässigkeit

Weil er einen in Trier inhaftierten Schwerverbrecher nicht ausreichend durchsucht hat und dem bewaffneten Mann daraufhin die Flucht aus dem Gefängnis gelungen war, muss ein ehemaliger Justizvollzugsbediensteter dem Land Schadenersatz zahlen. Das hat das Trierer Verwaltungsgericht entschieden.

 Nach dem Agovic-Ausbruch erhielt der „Ordnungszaun“ rund um die Justizvollzugsanstalt in der Trierer Gottbillstraße zunächst ein zusätzliches Kamera-System. Mittlerweile ist noch ein fünf Meter hoher Sicherheitszaun dazugekommen. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Nach dem Agovic-Ausbruch erhielt der „Ordnungszaun“ rund um die Justizvollzugsanstalt in der Trierer Gottbillstraße zunächst ein zusätzliches Kamera-System. Mittlerweile ist noch ein fünf Meter hoher Sicherheitszaun dazugekommen. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Trier. Auch sechseinhalb Jahre nach dem spektakulären Ausbruch des verurteilten Mörders Muhamed Agovic und eines Komplizen aus dem Trierer Gefängnis beschäftigt der Fall weiter die Justiz. Das Trierer Verwaltungsgericht verurteilte jetzt einen ehemaligen Justizvollzugsbediensteten wegen Verletzung der Dienstpflichten zu rund 20 000 Euro Schadenersatz. Außerdem muss der längst in den Ruhestand versetzte Beamte 40 Prozent aller Aufwendungen erstatten, die das Land als Dienstherr einem ehemaligen Kollegen gezahlt hat und noch zahlen muss (Az.: 1 K 1755/05). Schwerverbrecher nicht richtig durchsucht

Nach Ansicht der Trierer Verwaltungsrichter hat der Justizbedienstete am Tag der Flucht Ende Dezember 2000 "grob fahrlässig gegen seine Dienstpflichten verstoßen", weil er den wegen Mordes verurteilten Schwerverbrecher Muhamed Agovic vor und nach dem Hofgang im Gefängnis nicht wie vorgeschrieben durchsucht habe. Agovic konnte damals dank der Hilfe einer zunächst in ihn verliebten, dann verängstigten Justizbediensteten eine geladene Waffe, einen Bolzenschneider und einen Fäustel unbemerkt in den Zellentrakt schmuggeln. Mit der Waffe bedrohte er schließlich die Wärter, befreite einen Mitgefangenen und flüchtete mit dem Drogenhändler Fai Cimberti in einem bereitstehenden Auto nach Luxemburg. Cimberti wurde nur einen Monat nach dem Ausbruch in Belgien gefasst, Agovic erst zwei Jahre später in seiner Heimat Montenegro. "Ich gehe davon aus, dass er dort noch immer hinter Schloss und Riegel sitzt", sagte Triers Leitender Oberstaatsanwalt Horst Roos gestern dem TV.Der Jugoslawe Fai Cimberti dürfte indes mittlerweile wieder auf freiem Fuß sein. Er saß schon eine Zeit lang hinter Gittern, als das Trierer Landgericht Ende 2003 Cimbertis Drogen-Freiheitsstrafe wegen der Flucht um ein Jahr aufstockte.Dreieinhalb Jahre Haft lautete im Juli 2001 das Urteil gegen die ehemalige Trierer Justizbedienstete, die Agovic die Pistole geschmuggelt hatte. Wegen der Gefangenenbefreiung bestraft wurden später auch Agovics Schwester (zwei Jahre) und sein damals 22-jähriger Neffe (27 Monate).Neue Zäune und neue Gefängnisleitung

Folgen hatte der spektakuläre Ausbruch auch für die Trie-rer Justizvollzugsanstalt: Das Land wechselte die Gefängnisleitung aus, ließ neue Zäune und Kameras installieren und verbesserte die Kontrollen in der Haftanstalt.Den beiden Justizbediensteten, die Agovic am Flucht-Tag vom Hofgang abgeholt hatten, um ihn in die Zelle zu bringen, gestand das Koblenzer Oberlandesgericht vor zwei Jahren Schmerzensgeldansprüche in Höhe von insgesamt rund 18 000 Euro zu - wegen der erlittenen "posttraumatischen Belastungsstörungen".Darauf hin hatte das Land Rheinland-Pfalz als Dienstherr Schadenersatzklage vor dem Trierer Verwaltungsgericht erhoben, weil einer der Beamten seine Dienstpflichten am Fluchttag vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verletzt habe. Dieser Einschätzung folgte jetzt auch die Trierer Kammer.Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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