Therapie-Lücken

BERLIN. Der 63-jährige Apotheker Hans-Günter Friese ist seit acht Jahren Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Im TV -Interview kritisiert er die Arznei-Ausnahmeliste.

Der Bundesausschuss hat darüber entschieden, welche rezeptfreien Arzneimittel ausnahmsweise von den Kassen bezahlt werden. Jetzt ist das Geschrei groß, die Homöopathen drohen sogar mit einer Verfassungsklage. Stimmen Sie in den Protestchor mit ein? Friese : Der Ausschuss hat eine politische Entscheidung getroffen. Ich befürchte, dass die Arzneien, die der Arzt aus therapeutischen Gründen verschreibt, die aber nicht mehr von den Kassen erstattet werden, von den Patienten nun nicht mehr im notwendigen Maß erworben werden. Damit bleibt die Therapie unvollständig. Schulmediziner sagen, es sei nicht unbedingt rational, homöopathische Arzneimittel in den Leistungskatalog aufzunehmen. Friese: Man hat hier einen Trennungsstrich gezogen zwischen verschreibungspflichtig und nicht versicherungspflichtig und Ausnahmen zugelassen. Man hätte auch nach Indikationen unterscheiden können. Es ist sicher eine Konzessionsentscheidung, die antroposophische und homöopathische Medizin mit in den Ausnahmekatalog einzubeziehen. Sehen Sie, wie manche Ärzte, die Therapiefreiheit gefährdet, wenn die Kassen nicht alle homöopathischen Mittel bezahlen? Friese: Die Therapiefreiheit ist ja nicht eingeschränkt. Die Frage ist, ob der Patient bereit ist, solche Medikamente zu bezahlen. Bisher galt die Therapie als die Summe der verordneten Arzneimittel, die von der Krankenkasse erstattet wurden. Künftig kommen dazu jene Arzneimittel, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Der Bundesausschuss musste sich ja entscheiden, aus finanziellen Gründen, die auch die Apotheker genau kennen. Wer, wenn nicht der Bundesausschuss, hätte sonst entscheiden können? Friese: Es ist schon richtig, dass hier die Fachkompetenz zu entscheiden hat. Wiewohl es auch wünschenswert gewesen wäre, in diesem Fall auch die pharmazeutische Industrie und die Apothekerschaft zu hören. Nun, ob das dem Zweck der ganzen Übung, nämlich Einsparungen, gedient hätte? Friese: Gewiss sind die Interessen der Industrie massiv tangiert. Ich hätte mir trotzdem eine differenziertere Betrachtungsweise gewünscht. Gesundheitsministerin Schmidt hat den Kompromiss als "guten Mittelweg" verteidigt. Muss man ihr fairerweise nicht zustimmen?Friese: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu beantworten. Wir werden abwarten müssen, wie die Erfahrungen aus der Praxis sind. Das Gespräch führte unser Korrespondent Bernhard Bernarding.

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