Tödlicher Irrtum

SPANGDAHLEM. Tödlicher Irrtum im Süden Afghanistans: Bei einem Angriff im Rahmen der "Operation Medusa" hat ein Pilot der US-Airbase Spangdahlem versehentlich eine Einheit kanadischer Soldaten beschossen. Ein Soldat starb, 30 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.

Seit gut eineinhalb Wochen läuft mittlerweile die Offensive der internationalen Schutztruppe Isaf im Süden Afghanistans. Die blutige Zwischenbilanz der "Operation Medusa", die sich gegen Aufständische in der Provinz Kandahar richtet: mehr als 500 getötete Taliban-Kämpfer. Aber auch 21 ausländische Soldaten verloren in den vergangenen Tagen ihr Leben. Besonders tragisch: Ein Isaf-Soldat, der 33-jährige Kanadier Mark Graham, starb durch "friendly fire", also von eigenen Kollegen abgefeuerte Geschosse. Es war am vorletzten Montag in aller Frühe, als ein US-amerikanischer A-10-Pilot plötzlich das kanadische Camp unter Beschuss nahm. Der in Spangdahlem stationierte Pilot, dessen 81. Jagdstaffel seit Mai vorübergehend nach Afghanistan abkommandiert ist, war gemeinsam mit einem Kollegen in der Luft, als die beiden Jets von Nato-Bodentruppen um Unterstützung gebeten wurden. Die A-10 Thunderbolts, wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens auch Warzenschweine genannt, werden überwiegend zur Bekämpfung von Bodenzielen eingesetzt. Wie es dazu kommen konnte, dass einer der beiden Spangdahlemer Piloten versehentlich die eigenen Leute mit seiner 30-Millimeter-Bordkanone ins Visier nahm, ist noch unklar. Der "tragische Zwischenfall" werde untersucht, verspricht der Nato-Oberkommandierende, US-General James Jones. "Wir waren gerade dabei, unser Lager abzubauen, als wir plötzlich Schüsse hörten", schilderte einer der bei der "friendly fire"-Attacke verletzten Soldaten gestern einer kanadischen Zeitung den Zwischenfall. "Wir dachten, da hat jemand Munition ins Feuer geworfen." Ab diesem Moment verblassen die Erinnerungen des 22-jährigen Bruce Moncur. "Ich weiß nur noch, dass ich durch die Luft flog und Schmerzen in meinem Kopf und Arm verspürte." Dann verlor er das Bewusstsein. Moncur hatte Glück im Unglück, überlebte den Angriff mit schweren Verletzungen und wird mittlerweile in einem kanadischen Krankenhaus behandelt. Anders sein Kollege Mark Graham. Der 33-Jährige starb im Kugelhagel. In seiner Heimat sorgte der peinliche Zwischenfall auch deshalb für Schlagzeilen, weil Graham ein bekannter Leichtathlet war. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona war er Mitglied der kanadischen 4 x 400-Meter-Staffel. Als der Vater einer heute siebenjährigen Tochter seine Sportler-Karriere vor einiger Zeit wegen diverser Verletzungen an den Nagel gehängt hatte, ging Graham zum Militär. "Er dachte, die Armee wäre der geeignete Ort, um seinem Land weiter dienen zu können", erinnert sich Grahams Vater Albert, der nicht verstehen will, wie es zu dem irrtümlichen Beschuss durch die Amerikaner kommen konnte. "Warum bloß musste mein Sohn Marc sterben?" Auf diese Frage wissen auch die Verantwortlichen im Eifelort Spangdahlem, der Heimatbasis des amerikanischen A-10-Piloten, noch keine Antwort. Sprecherin Diane Weed verweist Anfragen ans Hauptquartier der Air Force, dort wiederum heißt es, die Untersuchung des Zwischenfalls laufe. Bereits vor vier Jahren war es in Afghanistan zu einem ähnlichen Unglück gekommen, als ein amerikanischer Militärpilot versehentlich eine Bombe abwarf, die inmitten kanadischer Bodentruppen detonierte. Vier Soldaten kamen damals ums Leben, acht wurden verletzt. Für den Unglückspiloten endete die Sache glimpflich: Wegen Pflichtverletzung wurde er später zu einer Geldstrafe verurteilt und bekam einen Verweis.

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