Transaktionssteuer und Fiskalpakt rücken näher

Berlin · Die Finanzmarkttransaktionssteuer kommt, der Schuldentilgungsfonds nicht. Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP haben sich mit SPD und Grünen nach wochenlangen Verhandlungen gestern auf eine gemeinsame Linie geeinigt.

Berlin. Am nächsten Freitag können der dauerhafte Europäische Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt, die europaweite Schuldenbremse, vom Bundestag genehmigt werden. Für den Fiskalpakt ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, da er indirekt in die Haushaltsrechte des Parlaments eingreift. Die Linkspartei lehnt ihn grundsätzlich ab.

Was ist der Kern der Einigung?

Die von der Opposition geforderte Finanzmarkttransaktionssteuer kommt, selbst wenn nicht alle EU-Länder mitmachen. Neun Staaten sollen reichen. Die FDP lenkte hier ein. Der Handel an den Börsen, insbesondere mit spekulativen Produkten, soll mit einem niedrigen Satz (0,1 Prozent) besteuert werden. Für den Kleinhandel sind Freibeträge vorgesehen. Mit dem Aufkommen, europaweit einem zweistelligen Milliardenbetrag, sollen Infrastruktur und Wirtschaft in den Krisenländern gefördert werden. Wachstumsprogramme sind der zweite große Punkt der Verständigung. Speziell gegen die Jugendarbeitslosigkeit soll in der EU mehr getan werden.

Was passiert mit den schon aufgelaufenen Schulden?
Sie bleiben, wo sie sind, nämlich bei den Staaten, die sie gemacht haben. Die Opposition konnte sich nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, alle Schulden, die 60 Prozent des Bruttosozialprodukts übersteigen, in einen gemeinsamen europäischen Altschuldentilgungsfonds zu verlagern, bei dem allerdings jedes Land weiterhin seine eigenen Schulden tilgt. Die Regierung sah darin einen Einstieg in die Schuldenhaftung des einen Staates für den anderen, die verfassungsrechtlich nicht möglich sei.

Wie geht es jetzt weiter?
Die Opposition erwartet von Angela Merkel in den nächsten Tagen Beweise, dass sie die Umsetzung der Vereinbarung ernsthaft betreibt. Erste Gelegenheit ist ein Treffen mit den Regierungschefs von Frankreich, Italien und Spanien heute Nachmittag in Rom. Weiterer entscheidender Termin ist die Kabinettssitzung am nächsten Mittwoch. Dort soll das gestern ausgehandelte Papier förmlich zum Regierungsbeschluss werden. Anschließend will Merkel es am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel beim EU-Gipfel einbringen.

Wo könnte es noch haken?
Zum einen bei den Ländern. Denn auch der Bundesrat muss mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Das soll am kommenden Freitag unmittelbar nach der Abstimmung im Bundestag in einer Sondersitzung der Länderkammer geschehen. Am Sonntag tritt eine Runde aus fünf Ministerpräsidenten im Kanzleramt mit Regierungsvertretern zusammen, um einen Kompromiss zu finden. Zweite Hürde ist Bundespräsident Joachim Gauck. Er müsste die Gesetze sofort nach den Abstimmungen unterschreiben, damit sie gültig werden. Das Bundesverfassungsgericht, das über angekündigte Eilanträge der Linken zu entscheiden haben wird, hat Gauck allerdings um Aufschub gebeten. Das europaweite Ziel, den ESM am 1. Juli in Kraft treten zu lassen, würde dann in Deutschland verfehlt werden.

Was fordern die Länder?
Sie wollen, dass der Bund eventuelle finanzielle Folgen des Fiskalpaktes übernimmt. Dazu scheint der Bund ansatzweise bereit. Schwieriger ist die Hauptforderung der Länder: Sie wollen, dass der Bund mittelfristig den Kommunen Soziallasten abnimmt.Außerdem erheben einige Länder noch Spezialforderungen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zum Beispiel will eine Aufstockung der Verkehrsinvestitionen des Bundes um eine Milliarde Euro erreichen - um mit einem Teil der Mittel einen zweiten S-Bahn-Tunnel in München finanzieren zu können.

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