Treffen mit Mehrwert

Trierer Politikwissenschaftler sieht Raum für diplomatische Initiativen.

Treffen mit Mehrwert
Foto: (g_pol3 )

Herr Professor Fröhlich, was halten Sie von dem G-20-Gipfel und welche Erwartungen haben Sie?
FRÖHLICH Das Format des Treffens ist ambivalent: Der G-20-Gipfel gibt mehr Staaten eine Stimme, als es bei dem Treffen der G 7 der Fall ist. Dennoch ist auch die Gruppe der 20 ein Club, von dem viele Staaten und Nichtregierungsorganisationen ausgeschlossen sind. Das Treffen hat auf eine solche Kritik reagiert und versucht, durch die Einladung von internationalen und regionalen Organisationen die Beteiligung zu erweitern. Die Erwartungen an einen solchen Gipfel sind schwer zu kalkulieren. Der Mehrwert liegt nicht nur in konkreten Neuerungen des Abschlussdokuments, sondern auch in weiteren diplomatischen Zusammenhängen: So ist es durchaus wichtig, einen Konsens in wichtigen Fragen wie etwa der Bekämpfung des Klimawandels - auch gegen Infragestellungen und Anfeindungen - zu bestätigen, damit er sich verdichtet und weiter ausgearbeitet werden kann. Schließlich sind solche Gipfel auch immer Treffen, bei denen aktuelle Krisenlagen mitverhandelt werden: In Hamburg wird es sicher wesentlich auch um Nordkorea und Syrien gehen.
Inwiefern ist es sinnvoll, derartige Gipfel in einer Großstadt zu machen?
FRÖHLICH Die G 20 haben sich in der Vergangenheit öfter in Großstädten getroffen. Damit stehen sie im Gegensatz zu den G 7 - der aber dann vorgeworfen wurde, sie würde sich abkapseln und verstecken. Natürlich wirft die Ausrichtung in einer Großstadt ganz eigene logistische Schwierigkeiten auf. Hier haben wir in Deutschland vielleicht auch noch nicht die Übung klassischer Konferenzstädte wie etwa New York oder Genf, wo es turnusgemäß zur Sperrung ganzer Straßen und Stadtteile kommt. Wie bei jedem internationalen Gipfel erhoffen sich das austragende Land und die austragende Stadt natürlich auch einen Imagegewinn, der etwa großen Sportveranstaltungen vergleichbar wäre. Das ist alles legitim, kann aber auch sehr schnell ins Gegenteil gekehrt werden, wenn es zu Zwischenfällen kommt.
Wie bewerten Sie die Proteste?
FRÖHLICH An den G 20 als Format und an ihrer Agenda kann man trefflich Kritik üben. Es ist gut, dass dies auch öffentlich vorgebracht wird - u.a. ja auch in einem Gegengipfel. Inmitten der Auseinandersetzung kommt es aber auch zu bloß schlagwortartigen Vereinfachungen, die nicht mehr in erster Linie auf verdrängte und übergangene Probleme hinweisen und Alternativen aufzeigen, sondern um des Skandals willen die Eskalation suchen. Die Fronten verlaufen dabei übrigens gar nicht so eindeutig: So ließen sich einige Kritikpunkte von Globalisierungsgegnern in den Protestgruppen der Sache nach mit einigen Formen der Abwendung von internationaler Zusammenarbeit durch die Regierung Trump verbinden - obwohl dahinter eigentlich gegensätzliche politische Überzeugungen stehen. Protest, der die gewalttätige Auseinandersetzung sucht, ist nicht nur illegal, sondern untergräbt auch sachlich berechtigte Kritik. Friedlicher Protest und Gegenentwürfe zum Programm der G 20 können jedoch daran erinnern, dass die internationale Gemeinschaft nicht nur aus einem Club von 20 Staaten besteht und dieser sich auch der öffentlichen Diskussion und Kritik stellen muss.
Rolf SeydewitzInterview Prof. Manuel FröhlichExtra: PROF. MANUEL FRÖHLICH


Alter 44 Ausbildung Er hat Politikwissenschaft, Geschichte und Anglistik studiert, lehrte später in Kiel und Jena Beruf Er hat an der Universität Trier seit 2015 den Lehrstuhl für internationale Beziehungen und Außenpolitik inne

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