Treffen ohne Einladung?

BERLIN. Das Rätselraten um ein mögliches Reformgespräch von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Unionsspitzen dauert an. Beide Seiten halten sich zu Terminen und Inhalten einer Spitzenrunde bedeckt.

Aufmarsch ohne den ambitionierten bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber? Kaum vorstellbar. Sollte es tatsächlich am kommenden Freitag zum Gipfeltreffen zwischen Kanzler Gerhard Schröder und den Vorsitzenden von CDU und CSU kommen, wie in Berlin gestern eifrig spekuliert wurde, müsste der Bajuware seine Fernreise abbrechen. Bis kommenden Sonntag, hieß es in Stoibers Staatskanzlei, sei er in Amerika unterwegs. Und so soll es auch bleiben: "Uns ist von einem Termin in Berlin nichts bekannt", teilte man in München mit. Auch Angela Merkel hatte bis gestern noch keine Einladung von Gerhard Schröder erhalten: "Nein, bei mir liegt nichts vor." Das wird sich ändern. Dem Vernehmen nach wird der Regierungschef noch in dieser Woche seine neuen Brieffreunde aus dem schwarzen Lager schriftlich über einen Termin für die Visite im Kanzleramt informieren. Der Niedersachse legt Wert darauf, in "nicht allzu ferner Zeit", so der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg, mit den Granden der Union das Thema Massenarbeitslosigkeit und ihre Bekämpfung zu besprechen. Bis es aber so weit ist, wird von beiden Seiten weiter taktiert und ausgelotet, worüber man eigentlich ganz konkret reden will. Ein schwieriges Unterfangen, weil im Berliner Polittheater die Liste möglicher Gesprächsthemen immer länger gemacht wird. Unklar ist zudem, wer bei dem Besuch im Kanzleramt neben den "Großen Dreien" überhaupt noch teilnehmen wird - beispielsweise von den Grünen. Oder - wenn überhaupt - von der FDP: Der Oberliberale Guido Westerwelle hob gestern schon eifrig den Finger: Er sei bereit zur Teilnahme, ließ er wissen. Wirklich dabei haben will ihn aber niemand. Fest steht, der Kanzler möchte sich keine thematischen Vorgaben machen lassen, denn ohnehin ist er durch die Arbeitsmarktlage derzeit mächtig in der Defensive. Die Union pokert hingegen genüsslich und pocht zumindest auf drei inhaltliche Punkte: Bürokratie-Abbau, betriebliche Bündnisse für Arbeit und die schnellstmögliche Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung will sie beim Kanzler durchdrücken. Merkel und Stoiber ist klar: Wer in ein solches Gespräch mit den konkretesten Forderung und Lösungsansätzen hineingeht, sammelt nicht nur Kompetenz-Pluspunkte bei den Wählern. Ihm wird am Ende womöglich bei einem Scheitern auch am wenigsten die Schuld zugeschoben werden können, wie man in der Union glaubt. Das ist der zweite Teil eines strategischen Spiels der Schwesterparteien - Teil Eins war der Brief, mit dem Merkel und Stoiber angesichts von 5,2 Millionen Arbeitslosen geschickt die öffentlichen Erwartungen geweckt hatten, denen sich der Kanzler zwangsläufig nicht mehr entziehen konnte. Nun gilt es, möglichst lange das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Schröder kann momentan nur reagieren, sagen selbst Vertraute. Die Stimmen derer, die in der Merkelschen Vorgehensweise und Taktik einen schädlichen Schmusekurs sehen, sind derweil verstummt. Am Donnerstag wird der Bundestag aber den von CDU und CSU vorgeschlagenen "Pakt für Deutschland" debattieren. Das Zehn-Punkte-Programm gegen die Arbeitslosigkeit dürfte von der rot-grünen Mehrheit zerrissen und abgelehnt werden. Fragen nach dem Sinn des Treffens im Kanzleramt könnten dann zweifellos wieder lauter werden.

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