Treuebruch im Hause Le Pen

Paris · Nach der Abkehr der Parteispitze des Front National von Jean-Marie Le Pen ist der 86-Jährige zum Gegenangriff übergegangen. Er attackiert seine Tochter Marine scharf und spricht ihr die Eignung für das Präsidentenamt ab.


Hart austeilen kann Jean-Marie Le Pen. Das wusste seine Tochter Marine schon, bevor sie zusammen mit der Parteiführung des Front National (FN) die Mitgliedschaft ihres Vaters aussetzte. Doch bisher richtete sich die Wut des 86-Jährigen stets gegen den Gegner und nicht gegen die politische Erbin. "Das ist ein Treuebruch. Ich schäme mich, dass die FN-Vorsitzende meinen Namen trägt", wetterte der Patriarch am Dienstag gegen die Entscheidung des Exekutivkomitees, ihn zu suspendieren.

"Ich kenne keine Verbindung mit jemanden, der mich auf so skandalöse Art und Weise verraten hat", schäumte der Europaabgeordnete im Radiosender Europe 1. Am besten lege Marine Le Pen schnell ihren Familiennamen ab, indem sie heirate, riet ihr Vater. Auch eine Präsidentschaftskandidatur seiner Tochter könne er nicht unterstützen. "Wenn solche moralischen Prinzipien den französischen Staat leiten würden, wäre das ein Skandal", schimpfte der ehemalige Fallschirmjäger, der selbst fünfmal Präsidentschaftskandidat war und den FN fast 40 Jahre lang geführt hatte.

Regionalwahlkandidatur noch ungewiss

2011 hatte er das Amt an Marine Le Pen abgegeben, die die Partei mit einer Strategie der "Entdämonisierung" für neue Wählerschichten erschloss. Der größte Dämon blieb ihr allerdings in Gestalt ihres Vaters erhalten. Denn Le Pen Senior hielt sich als Ehrenpräsident nicht mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen zurück. Als er Anfang April in einem Interview mit der rechtsextremen Wochenzeitung "Rivarol", erneut die Gaskammern der Konzentrationslager verharmloste und die mit den Nazis kollaborierende Vichy-Regierung rechtfertigte, war für Marine Le Pen das Maß voll. Sie forderte ihren Vater auf, nicht bei den Regionalwahlen im Dezember in der südlichen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur anzutreten und hob statt dessen ihre Nichte Marion Marechal-Le Pen auf den Schild. Die 25-jährige Abgeordnete, die ihrem Großvater nahesteht, erbat sich nach dem Eklat am Dienstag allerdings erst einmal Bedenkzeit.

Auch Marine Le Pen, die wie ihr Vater einen ausländer- und EU-feindlichen Kurs verfolgt, hatte lange gebraucht, um sich von dem Patriarchen zu distanzieren. Erst im vergangenen Jahr war sie aus dem schicken Familienanwesen Montretout bei Paris in ein eigenes Haus ein paar Kilometer weiter gezogen. Ein Dobermann ihres Vaters soll eine ihrer Katzen totgebissen haben, lautete damals die Begründung.

Le Pen will sich mit allen Mitteln wehren

Die Tiergeschichte passt zum Imagewechsel, den die Mutter dreier Kinder an der Parteispitze eingeleitet hatte. Sie verzichtet im Gegensatz zu ihrem Vater auf antisemitische Sprüche und hat mit ihrem gemäßigten Anstrich auch Erfolg: Die Mitgliederzahlen vervierfachten sich unter ihrer Führung und im vergangenen Jahr wurde der FN bei den Europawahlen erstmals stärkste Partei in Frankreich. Für die Präsidentschaftswahl 2017 gilt ihr Einzug in die Stichwahl laut Umfragen bereits als sicher.

Doch bis dahin wird ihr Vater weiter Ärger machen. Jean-Marie Le Pen kündigte bereits an, sich bis zum Mitgliederentscheid in drei Monaten, bei dem über die Aberkennung seiner Ehrenpräsidentschaft entschieden wird, mit allen Mitteln zu wehren. "Ich denke nicht an Rente, ich denke an Angriff", gab er sich martialisch. Auch seine Ämter will der 86-Jährige weiter ausüben. "Und wenn man meine Leiche findet, dann war das kein Selbstmord", sagte er ironisch.

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