Wahlen Können die Genossen ihren freien Fall stoppen?

Trier · Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden schaut auf die Ergebnisse des Wahlsonntags und mögliche Konsequenzen.

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Foto: TV/Lambrecht, Jana

Stell dir vor, am Sonntag ist Wahltag, und niemand geht hin ... Wovor es vielen Politikern graust, einer miserablen Wahlbeteiliging, wird am 26. Mai kaum Realität werden. Vier Tage vorher deuten einige Anzeichen daraufhin, dass am Sonntag mit einer ordentlichen Wahlbeteiligung zu rechnen sein dürfte. Besonders in den zehn Bundesländern, in denen parallel zur Europawahl auch Kommunalwahlen sind. Rheinland-Pfalz gehört dazu. Hier bewerben sich nach Angaben des Landeswahlleiters 67 000 Frauen und Männer um eines von rund 32 000 Ratsmandaten.

Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun glaubt, dass es Wechselwirkungen zwischen beiden Wahlen gibt. Die Ergebnisse zwischen Europa- und Kommunalwahlen hätten schon 2009 und 2014 für CDU, FDP, Grüne und SPD jeweils nicht weit auseinandergelegen, sagt der Politikprofessor. Jun glaubt, dass die Wahlbeteiligung auch deshalb höher als vor fünf Jahren sein wird, „weil das Thema Europa nach dem Brexit-Referendum und dem Aufstieg des Nationalpopulismus mehr Aufmerksamkeit findet“.

Auch Juns Kollege Markus Linden geht von einer deutlich höheren Wahlbeteiligung aus. Beide Experten rechnen mit deutlichen Stimmengewinnen bei den Grünen. „Das ist vor allem auf die Schwäche der SPD zurückzuführen“, meint Linden. Zudem repräsentierten die Grünen Themen, die die politisch wieder aktiver gewordene Jugend ansprächen.

Mit Verlusten bei der Europawahl müssen nach Meinung des Trierer Politikwissenschaftlers dagegen Union und besonders die SPD rechnen. Eine Einschätzung, die sich auch mit jüngsten Umfragergebnissen deckt, die die SPD bei 17 Prozent (2014: 27,3 Prozent) und die Union bei 30 Prozent (35,3 Prozent) sehen.

Nach Ansichts Lindens wurde der sozialdemokratische Kandidat für den Kommissionsvorsitz, Frans Timmermanns, im Wahlkampf erst zu spät ausreichend hervorgehoben, obwohl der Niederländer eine Machtperspektive und eine identifizierbare Programmatik besitze.

Zudem habe die SPD jene Themen, die sie von den anderen etablierten Parteien abgrenzten, bislang zu wenig hervorgehoben, meint Linden. Der Wahlkampf der Union sei dagegen zu wenig themenfokussiert gewesen. Ihr Plus sei dagegen die „recht gute Performance“ des Spitzenkandidaten Manfred Weber gewesen.

Wegen der fehlenden Sperrklausel geht auch Linden von dem ein oder anderen Überraschungscoup kleinerer Parteien aus. Nach der Europawahl rechnet der an der Universität Trier lehrende Politikexperte mit einer Kabinettsumbildung im Bund. Keine Überraschung ist, dass SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley ihren Posten als Bundesjustizministerin aufgeben und nach Brüssel wechseln wird.

Linden rechnet damit, dass auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ihren Stuhl wird räumen müssen, da sie ihren Doktortitel nicht behalten dürfte. „Die Arbeit enthält zahlreiche Plagiate und genügt keinesfalls wissenschaftlichen Anforderungen“, sagt Markus Linden. Sollte die SPD sehr weit unter 20 Prozent bleiben, erscheine auch ein neuerlicher Wechsel in der Partei- und Fraktionsführung nicht ausgeschlossen.

 Für die Europawahl wurden für Rheinland-Pfalz 40 Parteien und Gruppierungen zugelassen, 16 mehr als vor fünf Jahren.

Für die Europawahl wurden für Rheinland-Pfalz 40 Parteien und Gruppierungen zugelassen, 16 mehr als vor fünf Jahren.

Foto: dpa/Roland Weihrauch
 Der Trierer Politikwissenschaftler Dr. Markus Linden.

Der Trierer Politikwissenschaftler Dr. Markus Linden.

Foto: Privat

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