Trierer Politikwissenschaftler: Medien suchen zu sehr den Skandal

Trier · Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun gibt den Medien eine Mitschuld an der Diskussion über den Bundespräsidenten. Mit Jun sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

 Uwe Jun. Foto: Archiv

Uwe Jun. Foto: Archiv

Trier. Herr Jun, kann der Bundespräsident in seiner anstehenden Weihnachtsansprache angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe überhaupt noch glaubwürdig rüberkommen?Jun: Ja. Wenn der Bundespräsident die Vorwürfe allerdings nicht stichhaltig entkräften kann, wird die Glaubwürdigkeit untergraben. Daher müssen Politik und Medien die Anschuldigungen sachgerecht und angemessen beurteilen. Ist das Amt des Bundespräsidenten durch das Verhalten Wulffs geschädigt worden?Jun: Nach allem, was bislang bekannt ist, ist das Fehlverhalten von Herrn Wulff nicht gravierend. Derzeit sehe ich keinen Grund dafür, dass er zurücktreten müsste. Zunächst gibt es keinen Grund, an den Äußerungen Wulffs zu zweifeln. Es gilt auch für den Bundespräsidenten die Unschuldsvermutung. Der Bundespräsident wird also unbeschädigt bleiben?Jun: Das Amt wird zumindest teilweise in Mitleidenschaft gezogen. Doch die Öffentlichkeit ist - kann man sagen - abgestumpft, weil die Medien immer wieder Fehlverhalten bei vielen einzelnen Politikern feststellen und meinen, diese müssten höhere moralische Standards erfüllen als andere.Und das sehen Sie nicht so?Jun: Natürlich darf ein Politiker keinen persönlichen Vorteil nehmen. Aber wenn jemand einen Außenspiegel abgefahren hat und davongefahren ist, ist das sicherlich nicht richtig …Sie meinen den neuen FDP-Generalsekretär Patrick Döring.Jun: …, aber ich sehe darin keinen Grund, deswegen an seinen politischen Fähigkeiten zu zweifeln oder zu fordern, sein politisches Amt niederzulegen. Welche Auswirkungen hat die Diskussion denn für die Vertrauenswürdigkeit der Politik allgemein?Jun: Im Zuge der Skandalisierung der Politik wird zunehmend das vermeintliche Fehlverhalten einzelner in den Vordergrund gestellt. Die Medien fühlen sich erhaben, den moralischen Zeigefinger zu erheben. Das berührt die Glaubwürdigkeit der Politik und trägt nicht gerade dazu bei, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung abzubauen. Schadet diese Art der Berichterstattung der Politik?Jun: Ja, sie schadet auch dem Ansehen der Demokratie. Die vermeintlichen Skandale führen zu einer Glaubwürdigkeitskrise, schüren bei Teilen der Bevölkerung den Vertrauensverlust gegenüber der etablierten Politik. Wie wirkt sich das aus?Jun: Es gibt immer weniger, die bereit sind, sich in der Politik zu engagieren. Wenn es uns nicht gelingt, kompetentes Personal zu rekrutieren, werden wir keine sachliche Politik mehr haben.

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