Triumph und Sturz

Da mag Jurypräsident Quentin Tarantino noch so oft behaupten, die Entscheidung, Michael Moores "Fahrenheit 9/11" mit der Goldenen Palme nach Hause zu schicken, sei keine politische - es glaubt ihm kein Mensch.

Ohne Not hätten sich die Filmrichter in Cannes auch für einen der fiktionalen Beiträge entscheiden können, die in diesem Jahr von besserer Qualität waren. Schauspielerische Leistung sucht man in Moores Dokumentation, deren Titel auf François Truffauts "Fahrenheit 451" - ein Film gegen die Zensur - anspielt, vergebens. Im Übrigen soll Tarantino die Qualität der 19 Filme im Wettbewerb gelobt und insbesondere die asiatische Filmkunst hervorgehoben haben. Immerhin. Von Deutschland war trotz üppiger Vorschusslorbeeren für "Die fetten Jahre sind vorbei" - leider - keine Rede mehr. Doch wer spricht von Siegen? Dabei sein ist alles. Schließlich geht es um eine gute Sache sozusagen, einen Aufstand der kritisch-intellektuellen Internationale, Sektion Film, gegen Amerikas Lügen, Täuschung und Barbarentum (die Folterbilder haben gewiss auch zur Preisfindung beigetragen). Der kriegsversessene Frömmler, der "dümmste Mensch, der jemals ins Rennen um das Weiße Haus gegangen ist" (Moore), hat eine weltweit vernehmbare Ohrfeige erhalten. Ausgerechnet aus dem USA-kritischen Frankreich, ausgerechnet von seinem populärsten Gegner und von einer von einem Amerikaner angeführten Jury (der übrigens nie im Verdacht stand, ein Bush-Sympathisant zu sein), in der zudem weitere vier Amerikaner saßen. Ein bisschen umgehauen hat‘s den mächtigsten Mann der Welt bereits: Sein Sturz vom Fahrrad ist da von geradezu grotesker Symbolik. r.nolden@volksfreund.de

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