Troika gegen die vier Arbeitsgemeinschaften

Berlin · Vieles deutet darauf hin, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel heute im Parteivorstand auf breiten Rückhalt stößt, wenn er seine Vorschläge zur Zukunft der Altersvorsorge präsentiert.

Berlin. Ein Befreiungsschlag, ein Ende der Debatte war das wohl nicht. Dazu kam der Beifall von der falschen Seite, unter anderem von CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wollte mit dem von ihm am Wochenende vorgelegten Rentenkonzept einen lange schwelenden innerparteilichen Streit entschärfen. Doch schon heute, bei der ersten Lesung im Parteivorstand, wollen die Kritiker Klartext reden; beim entscheidenden kleinen Parteitag im November dürfte es dann zur Kampfabstimmung kommen.
Ein "massives Problem" meldet etwa die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Elke Ferner, mit der von Gabriel geplanten zusätzlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung an. Diejenigen, die so eine Ergänzungszahlung zur Rente am meisten bräuchten, Menschen in prekären Jobs, seien nicht in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt und hätten nichts davon, meinte Ferner gegenüber unserer Zeitung.
Gabriel braucht in seinem Konzept diese Betriebsrenten, um an der noch von Rot-Grün 2004 beschlossenen Absenkung des Rentenniveaus von jetzt 50 auf 43 Prozent des alten Nettoeinkommens bis 2030 festhalten zu können. Denn diese Absenkung, das ist Konsens, kann bei vielen Menschen zu Altersarmut führen. Die Betriebsrenten, aber auch die bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten, der Ausbau der Erwerbsminderungsrente und höhere Entgeltpunkt für Zeiten der Arbeitslosigkeit sollen in Gabriels Konzept das Risiko von Altersarmut minimieren.
Die Kosten von über 25 Milliarden Euro im Jahr 2030 sollen zum Großteil aus Steuermitteln kommen; 7,7 Milliarden Euro für die Erwerbsminderungsrente aus den Beiträgen, die dafür schon vor 2020 moderat gegenüber den bisherigen Plänen angehoben werden sollen.
"Fundamentaler Fehler"


Ein Festhalten am Absenken des Rentenniveaus und am neuen Renteneintrittsalter von 67 Jahren war auch Gabriels beiden möglichen Mitbewerbern um die Kanzlerkandidatur der SPD, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, wichtig gewesen. Nur so sei die Herausforderung der demografischen Veränderungen zu bewältigen, argumentieren sie.
Mit seinem Konzept, das unserer Zeitung vorliegt, hält Gabriel die SPD-Troika zusammen, hat aber, wie Ferner sagte, nun alle vier großen Arbeitsgemeinschaften gegen sich. Neben denen der Frauen auch die der Arbeitnehmer, die Jungsozialisten und die Arbeitsgemeinschaft 60 Plus. Auch die Parteilinke dürfte Nein sagen. "Unser Ziel bleibt es, das Rentenniveau nicht abzusenken", sagte Ferner. Auf das Argument in Gabriels Papier, dass dann die Beiträge auf 25 Prozentpunkte steigen würden, entgegnete sie trocken: "Wir wissen, dass das Beitragssteigerungen zur Folge hat." Aber wenn die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter 50 Prozent sänken, gerate das System "insgesamt in eine Legitimationskrise". Auch Juso-Chef Sascha Vogt nannte die Absenkung des Rentenniveaus einen "fundamentalen Fehler".
Weniger strittig dürfte der Satz in dem Gabriel-Papier sein, dass es bei der Rente mit 67 bleibt. Ferner sagte, sie gehe davon aus, dass der bisherige Parteitagsbeschluss gelte, wonach die Rente mit 67 ausgesetzt wird, so lange nicht mehr als 50 Prozent der 60- bis 65-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Ein entsprechender Hinweis fehlt allerdings in dem Gabriel-Papier, was Ferner heute in der Sitzung anmahnen will. Sie gehe davon aus, dass das nur Formsache sei, sagte sie.
Das Lob von Arbeitsministerin von der Leyen bezog sich auf Gabriels Idee einer "Solidarrente". Wer mindestens 30 Jahre lang eingezahlt hat, aber wegen Niedriglöhnen im Alter nicht auf Sozialhilfeniveau kommt, soll seine Rente aus Steuermitteln auf 850 Euro aufgestockt bekommen. Das ähnelt sehr von der Leyens eigener, in der schwarz-gelben Koalition höchst umstrittener Zuschussrente, weswegen die Ministerin auch schon von der Möglichkeit einer parteiübergreifenden Initiative gegen die Altersarmut schwärmte.
Linke-Parteichef Bernd Riexinger konnte sich in seinem Verdacht bestätigt sehen, dass Gabriels Konzept ein "Masterplan für den Gang in eine große Koalition" sei.

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