Trumps neue Töne Richtung Damaskus

Washington · Vollzieht Washington eine Kehrtwende gegenüber Assad? Noch kann niemand einschätzen, was der US-Präsident tatsächlich vorhat.

 Ändert US Präsident Donald Trump seine Posision zum Syrien-Krieg? Jüngste Äußerungen in Washington legen diese Möglichkeit nahe. Archiv-Foto: dpa

Ändert US Präsident Donald Trump seine Posision zum Syrien-Krieg? Jüngste Äußerungen in Washington legen diese Möglichkeit nahe. Archiv-Foto: dpa

Foto: Evan Vucci (AP)

Washington Was ein paar Tage doch für einen Unterschied machen! Noch am Wochenende hatte es den Anschein, als hätten sie im Kabinett Donald Trumps beschlossen, das Kapitel "Regime Change" in Syrien endgültig zu den Akten zu legen. UN-Botschafterin Nikki Haley erklärte, der Sturz des Diktators Baschar al-Assad habe für Amerika keine Priorität mehr. Außenminister Rex Tillerson warf einen Satz von geradezu zynischer Kälte in die Debatte. Es sei allein am syrischen Volk, über die Zukunft seines Landes zu entscheiden, sagte er, als hätten die Syrer ein demokratisches Mitspracherecht.
Die Botschaft schien klar: Trump wird keinem Potentaten der arabischen Welt ins Handwerk pfuschen, nicht mal Assad, den sein Chefstratege Steve Bannon im Übrigen für einen Stabilitätsfaktor hält. Der Isolationist des "America First" denkt nicht daran, im Nahen Osten zu intervenieren, um ein mörderisches Regime aus den Angeln zu heben.
Dann wurden im Norden Syriens Chemiewaffen eingesetzt, und unter dem Eindruck schockierender Fernsehbilder sprach Trump davon, dass Assad jenseits einer roten Linie "viele, viele Linien" überschritten habe. Auf einmal ist alles wieder offen, selbst ein Militärschlag gegen die Regierung in Damaskus denkbar. Indem Trump betont, dass er flexibel sei, leicht bereit, frühere Ansichten zu ändern, hat er den Spekulationen zusätzliche Nahrung gegeben. Andererseits weiß man aus Erfahrung, dass seine Aufmerksamkeitsspanne nicht die längste ist und er gern von einem Thema zum nächsten springt. Ob seine hochemotionalen Worte nach der Giftgas-Attacke eine Wende um 180 Grad bedeuten? Ob es nur ein paar aus dem Stegreif formulierte Sätze waren, der auf maximale Medienwirkung bedachte Kommentar eines Experten für Medieneffekte, dem an Taten nichts folgt? Im Moment gibt es keinen, der darauf eindeutige Antworten geben könnte.
Wofür Donald Trump von seinen Instinkten her steht, hat er über Jahre deutlich gemacht, nicht erst seit seiner Kandidatur fürs Weiße Haus, auch schon früher. Als Barack Obama eine Militäraktion erst ankündigte und dann abblies, nachdem Assads Truppen im August 2013 Chemiewaffen abgefeuert hatten, gab ihm der New Yorker Unternehmer vorbehaltlos Recht. "Präsident Obama, greifen Sie Syrien nicht an!", sagte er. Er sehe keine Vorteile, nur Nachteile, schrieb Trump damals bei Twitter. "Halten Sie Ihr Pulver für einen anderen (und wichtigeren) Tag trocken", riet er, was nichts daran ändert, dass er seinen Vorgänger im Oval Office heute wegen seines Verzichts auf einen Angriff durch den Kakao zieht. Obama, wettert er, habe eine Gelegenheit zur Lösung des Syrienkonflikts verpasst, weil er versäumte, seiner roten Linie Geltung zu verschaffen.
Allein schon die irrlichternde Rhetorik macht es so gut wie unmöglich, Trumps wahre Absichten einzuschätzen. Zudem lehnt er es ab, militärische Pläne auch nur zu skizzieren: Den Gegner vorab wissen zu lassen, was man zu tun gedenke, wäre grundfalsch. Im Wahlkampf hatte es noch so geklungen, als wäre der Tycoon in der Pose des entschlossenen Antiterrorstrategen zu einer stillschweigenden Allianz mit Damaskus, Moskau und Teheran bereit, um den "Islamischen Staat", im amerikanischen Diskurs meist ISIS genannt, zu besiegen. "Ich mag Assad überhaupt nicht", sagte er einmal während einer Kandidatendebatte. "Aber Assad tötet ISIS. Russland tötet ISIS, und der Iran tötet ISIS."
Für den Fall, dass Trump tatsächlich eine Kehrtwende vollzieht, dürfte er genauso in einer Zwickmühle stecken, wie sich Obama im Spätsommer 2013 in einem Dilemma befand. Ein Raketenschlag wirft die Frage auf, was am Tag danach geschieht, falls sich Assad von einer militärischen Machtdemonstration nicht beeindrucken lässt. Eine forcierte Aufrüstung von Rebellen birgt das Risiko, dass die Waffen in die Hände von Fanatikern fallen könnten. Es sind dieselben Diskussionspunkte wie damals, mit einem wichtigen Unterschied: Diesmal ist Russland als Schutzmacht des syrischen Autokraten in dem Konflikt militärisch präsent, was die Gefahr einer Eskalation erheblich erhöht.

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