Über 15 Stunden Werbeblock für die Regierung

Berlin · Die Debatte um Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag geht weiter: Über 15 Stunden lang will sich die große Koalition in den kommenden Tagen am Rednerpult präsentieren.

Berlin. Die heute beginnende Sitzungswoche des Bundestages könnte in die Geschichte des Parlaments eingehen, allerdings unter der Rubrik kuriose Fehlentwicklungen: Die große Koalition nutzt ihre 80-prozentige Mehrheit, um sich über 15 Stunden lang darzustellen. Jeder Minister darf in den nächsten drei Tagen eine Regierungserklärung abgehen. Die Opposition hatte bei der Tagesordnung nichts zu melden. Früher gab es zu Beginn einer Legislaturperiode eine Regierungserklärung des Kanzlers oder der Kanzlerin. Dann eine zweieinhalbstündige Generalaussprache. 2009 ergänzte die schwarz-gelbe Koalition das um Erklärungen der Minister mit anschließendem Schlagabtausch. Das ist auch diesmal das Modell, aber ohne Schlagabtausch. Weil die Redezeiten sich nach Größe der Fraktionen bestimmen, kommen die Grünen und Linken zusammen bis Freitag auf 328 Minuten, gut fünf Stunden. Hingegen reden Koalitionspolitiker 926 Minuten lang, über 15 Stunden.TV-Analyse Bundestag


Zudem haben sich die Koalitionsparteien die besten Auftrittszeiten gesichert, die sogenannte Primetime. Mittwoch früh ist Angela Merkel für die CDU dran, Donnerstag früh Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD mit einer Debatte im sogenannten "XL-Format", zwei Stunden lang. Und Freitagfrüh spricht Alexander Dobrindt, der die dritte Koalitionspartei CSU vertritt. Die ganze Veranstaltung werde kaum mehr als das "Widerkäuen" des Koalitionsvertrages werden, sagte die Linken-Parlamentarierin Petra Sitte. Denn konkrete Gesetzesvorschläge hätten die Minister noch gar nicht vorzuweisen.
Der Vorgang belebt erneut die Debatte um Minderheitenrechte im Bundestag. Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte vorgeschlagen, die Opposition so zu behandeln, als habe sie nicht 20, sondern 25 Prozent der Sitze. Dieses Quorum ist zum Beispiel notwendig, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen. Lammert empfahl einen entsprechenden Bundestagsbeschluss. Das war Linken und Grünen jedoch zu wenig. Sie verlangen ein gesondertes Gesetz.
Nun scheint die große Koalition der Opposition etwas entgegenzukommen. Die erweiterten Minderheitenrechte sollen in der Geschäftsordnung festgeschrieben werden. Zudem soll der Fraktionszuschuss für die Oppositionsparteien außerplanmäßig um insgesamt 300 000 Euro erhöht werden. Grüne und Linke bleiben jedoch bei ihrem Gesetzesantrag. wk

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