Überwiegend katholisch und gut gebildet

Mainz · Wie viele Menschen leben in Rheinland-Pfalz, welchen Schulabschluss und welche Religion haben sie, wie wohnen und arbeiten sie? Auf diese Fragen können die Behörden mit der Volksbefragung Zensus 2011 Antworten geben.

Mainz. In deutschen Amtsstuben regiert in nächster Zeit der Korrekturstift. In den meisten Städten, Landkreisen, Bundesländern und im Bund müssen die amtlichen Einwohnerzahlen berichtigt werden. Deutschland hat keinesfalls 81,8 Millionen Einwohner, sondern nur 80,2 Millionen (siehe Text unten). Rheinland-Pfalz knackt die Vier-Millionen-Marke nicht, liegt knapp darunter.
Ausnahmen bestätigen die Regel: In Trier (plus 0,9 Prozent) und in Koblenz (plus 0,2 Prozent) leben laut Zensus mehr Menschen, als von den Einwohnermeldeämtern registriert. Warum das speziell in Trier so ist, können weder Politiker noch Statistiker erklären. Dazu seien die Unterschiede zu gering, sagt Innenminister Roger Lewentz (SPD).Anmeldung vergessen


Allgemein rührt die Diskrepanz der Werte daher, dass viele Menschen noch an ihrem alten Wohnort gemeldet sind, obwohl sie längst umgezogen sind. Oder dass sie vergessen haben, sich anzumelden. Oder dass sie an mehreren Wohnsitzen gemeldet sind.
Das ist durch den Zensus ans Licht gekommen, weil hier Zusatzdaten ausgewertet wurden, die etwa durch die Haushalts- und Wohneigentümerbefragung gewonnen wurden. 42 000 Korrekturen seien allein durch Meldungen an mehreren Wohnsitzen vorgenommen worden, berichtet Jörg Berres, Präsident des Statistischen Landesamtes.
Offenbar kommen die Statistiker auch den Menschen nicht immer hinterher. Seit der letzten Volkszählung 1987 sind in Rheinland-Pfalz 10,4 Millionen Bewegungen registriert worden. Will heißen: Geburten, Sterbefälle, Wanderungen innerhalb des Landes, über Rheinland-Pfalz oder Deutschland hinaus.
Der "Zensus 2011" hat nicht nur die amtlichen Einwohnerzahlen ermittelt, die maßgeblich für den Länderfinanzausgleich, die Wahlkreiseinteilung oder die Konzessionsabgaben der Stromversorger sind und zur Infrastrukturplanung dienen. Er liefert auch in anderen Bereichen interessante Erkenntnisse:

Nationalität: Der Ausländeranteil ist in Rheinland-Pfalz (6,8 Prozent) geringer als im Bundesdurchschnitt (7,7). Die meisten Ausländer leben in Ludwigshafen (19,6), nur wenige im Vulkaneifelkreis (3,7) oder in Bernkastel-Wittlich (4,7 Prozent).

Migration: Viele Menschen haben einen deutschen Pass, jedoch ausländische Wurzeln. Im Land und speziell in Trier ist es fast jeder Fünfte. Verhältnismäßig wenige Migranten gibt es im Kreis Trier-Saarburg (12,5 Prozent), in Bernkastel-Wittlich (12,7) und in Bitburg-Prüm (13,5).
Religion: Bemerkenswert ist der seit 1987 stark gestiegene Anteil der Menschen ohne Religionszugehörigkeit. Damals waren es 7,6 Prozent in Rheinland-Pfalz, im Mai 2011 etwa 24,5 Prozent. Zum Vergleich: In Brandenburg gehören 78,7 Prozent der Menschen keiner Religion an. Der Eifelkreis Bitburg-Prüm ist die Hochburg der Katholiken im Land, Kusel die der Evangelen.
Bildung: An den Schulabschlüssen lässt sich der deutliche Trend zu höherer Bildung ablesen. Fast jeder Dritte hat einen Uni- oder FH-Abschluss, 1987 waren es nur 12,1 Prozent. 28,7 Prozent der Rheinland-Pfälzer haben die Mittlere Reife (1987: 17,3), 35,7 Prozent einen Haupt- oder Volksschulabschluss (1987: 67,3). Besorgniserregend und ein Grund für politische Diskussionen: Die Zahl der Menschen ohne Schulabschluss hat sich in den vergangenen 34 Jahren verdoppelt.

Wohnungen: Fast zwei Millionen Wohnungen gibt es in Rheinland-Pfalz, mehr als bei der Fortschreibung auf der Basis der 87er Volkszählung gedacht, vor allem in Trier: Mit plus vier Prozent wird die höchste Abweichung aller Städte nach oben registriert, in Trier-Saarburg mit plus 7,9 Prozent die höchste aller Kreise (zur Quote siehe Grafik).
Die Selbstnutzerquote fällt in den Städten erheblich niedriger aus als in den Kreisen. In Trier nutzen nur 31 Prozent der Eigentümer ihre eigenen vier Wände. Allerdings wird im Raum Trier eine der geringsten Leerstandsquoten landesweit verzeichnet. In Rheinland-Pfalz standen laut Zensus im Mai 2011 rund 90 000 Wohnungen leer.
Die ermittelte Leerstandsquote ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Zensus der Politik wertvolle Erkenntnisse für deren Arbeit liefert. "Viele Eigenheime verlieren an Wert, die Nahversorgung wird ausgedünnt. Das stellt eine große Herausforderung dar", unterstreicht Innenminister Roger Lewentz.Extra

Professor Ralf Münnich (Foto: privat) hat seit dem Wintersemester 2005/06 an der Universität Trier den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialstatistik inne. Er befasst sich mit Techniken für Volksbefragungen schon seit seinem Studium und seiner Dissertation in Tübingen. Er beriet auch schon die Schweiz bei deren Volksbefragung. Der gebürtige Heidelberger hat eine Methodik entwickelt, die es ermöglicht hat, auf die Befragung jedes Bürgers wie bei der umstrittenen Volksbefragung 1987 zu verzichten. Das sparte Millionenkosten für Interviewer und Frage bögen. Dazu wurden unter anderem die Melderegister und Anschriftlisten geprüft, um etwa festzustellen, wer verzogen ist oder sich nicht an seinem Wohnsitz angemeldet hat. Beide Datenquellen mussten zusammengeführt werden, erklärt der Professor dem Volksfreund. Es ging um die optimale Gestaltung eines Stichprobeverfahrens und danach eines Schätzverfahrens, um die amtlichen Einwohnerzahlen sauber zu ermitteln. Im Vergleich zu früher könne man heute "geografisch und inhaltlich stärker in die Tiefe gehen". Münnichs Lehrstuhl setzte sich in einer Ausschreibung des Statistischen Bundesamtes durch. "Wir haben in Europa kaum Konkurrenz", sagt Münnich. Einerseits aufgrund der Methodik, andererseits aufgrund der einzigartigen Rechenanlagen. Das Simulationslabor an der Uni sei streng nach außen abgeschottet und praktisch ein "Hochsicherheitstrakt", um die Daten zu schützen.fcg

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